Tagebuch schreiben?

  • Ihr Lieben! Schreibt Ihr eigentlich Tagebuch? Ich mache es immer mal wieder für eine Weile und höre dann wieder auf weil ich mich frage, ob das nicht das Ego und unsere selbstgemachten Dramen eher verstärkt? Auch Thema Persönlichkeitsentwicklung, die ja gerade so im Trend ist oder noch schlimmer Selbstoptimierung (bin ich überhaupt kein Fan von), welche Persönlichkeit sollte ich denn da entwickeln wenn da niemand ist? Also, verstärkt es das Ego?

  • Ich habe früher mal Tagebuch geschrieben aber es fiel mir immer schwer. Ich habe so viele Gedanken, dass es nahezu unmöglich ist sie zu Papier zu bringen oder sie auf ein paar wichtige Punkte herunter zu distillieren. Für mich fühlte es sich immer wie verschwendete Zeit an. Aber ich weiß auch, dass es anderen helfen kann. Es kann entweder die Dramen verstärken weil man sie noch einmal extra in Worte packt - und das birgt auch immer die Möglichkeit sich in etwas hinein zu steigern oder in Rage zu reden. Aber es kann auch helfen, indem man das Geschriebene später noch einmal liest und darüber reflektiert.


    Für mich persönlich ist es nichts.


    Zu den Begriffen Persönlichkeitsentwicklung und Selbstoptimierung: Von den Trends halte ich gar nichts. Aber... Persönlichkeitsentwicklung heißt nur, dass ich mich persönlich und charakterlich weiter entwickle. Und Selbstoptimierung heißt nur, dass ich mich selbst einem mir selbst gewählten ideal annähere. Entwicklung und das streben nach einem Ideal sind große Aspekte der Spiritualität. Wer sich nicht entwickelt, bewegt sich nicht und wenn man auf der Stelle tritt kann man nichts über sich oder die Welt lernen. Und streben wir nicht alle nach einem selbst gewählten Ziel? Und für die, die jetzt sagen "Ich will aber jedes Streben nach etwas aufgeben und einfach im Moment leben" - auch das ist ein Ziel ;) Ich denke daher die Begriffe sind völlig okay, nur die Trends dahinter sind oftmals hohler Unsinn.

    Bitte nimm meine Worte so wie ich sie schreibe. Bei Unklarheiten frag nach. Danke!

  • Sasha

    Ja, ich meinte halt diesen Trend, wir werden jetzt alle superfit und superschlank und superschlau sowieso, sehen zu jeder Zeit unseres Lebens immer BestAger-mäßig aus, so wie bei GNTM, nutzen jede Sekunde unseres Tages effizient bla bla bla und haben sowieso unendliche Energie für alles. Die gehen mir halt alle auf den Keks mit ihrem Hype und ihren perfekten Tagesabläufen und Fake-Fotos auf Instagram und ihrer aufgesetzten ständigen Positivität etc. ... Du weißt bestimmt, was ich meine.


    Heinz Strunk über Selbstoptimierung | extra 3 | NDR - YouTube

  • Sasha

    Ja, ich meinte halt diesen Trend, wir werden jetzt alle superfit und superschlank und superschlau sowieso, sehen zu jeder Zeit unseres Lebens immer BestAger-mäßig aus, so wie bei GNTM, nutzen jede Sekunde unseres Tages effizient bla bla bla und haben sowieso unendliche Energie für alles. Die gehen mir halt alle auf den Keks mit ihrem Hype und ihren perfekten Tagesabläufen und Fake-Fotos auf Instagram und ihrer aufgesetzten ständigen Positivität etc. ... Du weißt bestimmt, was ich meine.

    Und ich Dummerchen dachte du meinst charakterliche und geistige Entwicklung... Beim Stichwort Trend hätte ich es eigentlich besser wissen müssen.

    Das meiste ist fake und toxische Positivität kann krank machen. Daher vermeide ich es mir diese Trends überhaupt groß anzugucken.

    Bitte nimm meine Worte so wie ich sie schreibe. Bei Unklarheiten frag nach. Danke!

  • Ich schreibe jeden Tag in mein Tagebuch , hilft mir zu verarbeiten und führt mich zu Erkenntnissen , die sonst gar nicht zum Vorschein kommen würden .

  • Ein Tagebuch in dem Sinne schrieb ich nie, war damals, zumindest bei Knaben, nicht im Trend...


    Das Thema bringt mich auf eine Idee:

    Wenn wir ein wenig Innenschau gemacht haben, ist klar, dass JETZT kein Problem vorliegt und dass all das Schwere, von unseren Gedanken abhängt, wie wir den Moment bewerten. Wir dichten dem Moment eine Geschichte hinzu, im Grunde leiden wir dann wegen der Geschichte oder weil wir eine Geschichte aus der Vergangenheit noch mitschleppen. Erzählen wir neue Geschichten - Beispiel


    Schwere Geschichte:

    «Heute hat mir so ein Idiot die Vorfahrt genommen und es kam beinahe zu einem Zusammenstoss. Der Typ hat nicht einmal angehalten oder sich durch Winken entschuldigt. Als ich dies in der Firma und später der Familie mitteilte, waren die derselben Meinung, dass dies ein Idiot sei.»


    Der Verfasser des Tagebuches ärgert sich nicht nur einmal, sondern jedes Mal, wenn er die Geschichte erzählt und dann auch noch, wenn er den Tagebuch-Eintrag schreibt. Dies wird nichts am Ereignis ändern, also wozu sich immer wieder darüber ärgern?


    Leichte Geschichte:

    «Heute hat ein Autofahrer meine Vorfahrt übersehen und wir wären beinahe zusammengestossen. Gott sei Dank bemerkte ich dies und trat sofort auf die Bremse. Ein Schutzengel fuhr definitiv mit mir mit und ich fühle mich beschützt. Der Autofahrer bemerkte die Situation nicht, das ist schön, denn sonst hätte er sich noch ein Gewissen gemacht».


    Es ist noch immer dieselbe Geschichte, nur neu wahrgenommen und erzählt. Nur so eine Idee, vielleicht schenken diese Worte jemandem einen konstruktiven Impuls. :)

  • Es ist noch immer dieselbe Geschichte, nur neu wahrgenommen und erzählt. Nur so eine Idee, vielleicht schenken diese Worte jemandem einen konstruktiven Impuls. :)

    andersrum , erlebtes aufschreiben und sich die Frage stellen was will mir das gerade sagen .

    War ich unvorsichtig , war ich anwesend im hier und jetzt , was kann ich verändern , um ein ander Mal gar nicht in diese Situation zu kommen ?

  • Aber man könnte es ja auch anders aufziehen, im Sinne eines Dankbarkeitstagebuchs oder so, also eben sich auf das Positive fokussieren, was am Tag passiert ist, wofür man dankbar ist, was Schönes passiert ist etc.? Das vergisst man nämlich leichter und hat dann am Ende nur noch die Story mit dem blöden Autofahrer im Kopf. Oder ist das dann auch wieder Schönfärberei?

  • Das ist tatsächlich eine Übung die ich lange gemacht habe:


    Schreibe jeden Tag mindestens 3 Dinge auf fie gut waren, egal wie klein.

    Schreibe jeden Tag mindestens eine Sache auf, die du gut gemacht hast, egal wie klein.


    Mehr geht immer, aber schreib mindestens 3+1 auf, auch wenn du dafür länger überlegen musst.

    Bitte nimm meine Worte so wie ich sie schreibe. Bei Unklarheiten frag nach. Danke!

  • Ehrlich gesagt ist mir egal ob das als Schönfärberei bezeichnet wird. Ich handhabe dieses Dankbarkeitstagebuch jetzt seit Kurzem und auch eher sporadisch anstatt täglich. Einfach weil ich den Fokus mehr auf die positiven Dinge legen möchte. Negatives fällt mir leichter auf und das kann ich mir leichter merken als Positives. Da möchte ich mich einfach ein bisschen umkonditionieren, zumindest so weit, dass ich dennoch weiterhin auch die schwierigen Dinge im Leben meistern kann, aber eben etwas "leichtfüßiger", weil ich merke, dass mir das durchgehende Auffallen von negativen Gegebenheiten oder Dingen zusehend missfällt.

    Wenn jetzt jemand singt "Ich mache mir die Welt wiedewiedewie sie mir gefällt.": Ja, mache ich. Ist total okay so. :)

    :)

  • Negatives fällt mir leichter auf und das kann ich mir leichter merken als Positives.

    Fun fact: Das geht allen Menschen so, weil wir biologisch darauf ausgelegt sind.

    Evolutionär betrachtet ist es völlig wurscht ob wir schöne Blumen gesehen haben, oder ob unser Haustier etwas lustiges gemacht hat.

    Evolutionär ist es wichtig, dass wir Gefahren und Feinde erkennen, dass wir wissen, was uns in unserem Pfad behindert, uns verletzt oder uns ungewollte negative Konsequenzen beschert hat.

    Das Gehirn ist leider von Natur aus mit einem Fokus auf das Negative programmiert und wir müssen uns aktiv umtrainieren um den Fokus auf das Positive zu stärken.

    zumindest so weit, dass ich dennoch weiterhin auch die schwierigen Dinge im Leben meistern kann, aber eben etwas "leichtfüßiger", weil ich merke, dass mir das durchgehende Auffallen von negativen Gegebenheiten oder Dingen zusehend missfällt.

    Finde ich völlig richtig. Das Negative im Leben sollte man keinesfalls ignorieren, aber man sollte zusehen, dass man möglichst viel positives in die Waageschale wirft, so dass einen das Negative nicht zu erdrücken droht. So hat man eine bessere Chance auf bessere mentale Gesundheit und dass es einem Kraft gibt um Hindernisse zu meistern ist keineswegs ein Placebo-Effekt sondern eine vollkommen reale Folge.

    Bitte nimm meine Worte so wie ich sie schreibe. Bei Unklarheiten frag nach. Danke!

  • weil ich mich frage, ob das nicht das Ego und unsere selbstgemachten Dramen eher verstärkt?

    Das Ego liebt Dramen und geht darin auf. Es kann sich leicht in diesen Dramen verlieren und dann versinkt der Mensch in die völlige Unbewußtheit.

    Mir hilft das Tagebuch schreiben dabei, genau diesen Prozeß zu erkennen und zu durchschauen. Besonders wenn ich meine alten Tagebuch-Einträge lese, dann fällt mir auf wie sehr ich mich von meinem Ego in eine bestimmte Richtung treiben lies. Und dann, durch das Lesen meiner alten Einträge, ist eine Erkenntnis meines Egos und seiner Machenschaften möglich. Das Schreiben deckt vieles auf und deshalb liebe ich es, meine alten blogs und Tagebucheinträge nach ein paar Jahren mal wieder durch zu arbeiten. Ich erkenne dann auch, wie sehr mein Verstand konditioniert ist und immer wieder in die gleichen (Ego-)Fallen tappt. Es ist unglaublich wie schwer es ist, im täglichen Leben die Bewußtheit zu bewahren. Ohne mein Tagebuch wüßte ich sicher nicht, wie sehr ich mich - immer noch - von meinem (Ego-)Verstand leiten lasse, ohne es zu bemerken.

    Eine aus sich heraus existierende, objektive Welt, also etwas, dass seine "eigene Natur" unabhängig von etwas anderem besitzt, ist eine Gedankenform, die nur in der Vorstellung existiert.

  • Seit 15 Jahren schreibe ich in dieses Forum, wenn wir so wollen, ist dies eine Art Tagebuchschreiben. Verschiedene aktuelle Themen führen oft zu älteren Themen. Diese zu lesen zeigt oft das, was Rauschender Morgenstern beschreibt. Interessant ist es, wenn ich beobachten kann, wie sich theoretisches Wissen in Erfahrung oder Erkenntnis gewandelt hat; weil nur ich weiss (und bewusste Menschen), in welchem Grad an Bewusstsein ich damals schrieb. :-x

  • _/|\_ Danke Euch !

    Ja, früher habe ich viel ins Tagebuch geschrieben. Es ist Vergangenheit.

    Das Forum ist nun mein Tagebuch im JETZT.

    Unglaublich wie ich hier erkennen, verinnerlichen und in Freude annehmen kann.

    :klee: Ein WUNDER :klee:


    Das Tor zum Bewusstsein