Unterschied Mitleid und Mitgefühl

  • Ich hatte diesen Text schon einmal gepostet. Nun habe ich ihn aus aktuellem Anlass ergänzt und verändert.


    Gerade stiess ich wieder auf die Frage was der Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl ist. Wenn du auf einen Umstand triffst, in dem ein Mensch oder ein Tier leidet, kannst du auf drei Arten re-agieren (handeln)


    1. Es beschäftigt dich nicht weiter und du vergisst es schon bald.


    2. Der Umstand beschäftigt dich emotional so stark, dass er dich runterzieht, bei dir ebenfalls, warum auch immer, ein Betroffen-Sein und Leiden verursacht, der dich aus lauter Verstrickung handlungsunfähig macht.


    3. Der Umstand berührt dich - du siehst was zu tun ist. Du kannst entscheiden, was du machen kannst oder wo du Unterstützung benötigst. Du versinkst nicht in ein Mitleiden, das dich handlungsunfähig und hilflos macht.


    Mitgefühl nimmt Anteil am Schicksal des Mitmenschen / oder Tieres. Dein Gefühl, dein Handeln, dein Wesen sind klar. Deine Intuition, deine Lebenserfahrung oder dein Spirit sagt dir, was du tun kannst oder zu lassen hast. Damit du dich z.B. nicht selber in Gefahr begibst ...


    Mitgefühl lässt dich im Handeln (handlungsfähig bleiben). Du machst das Schicksal des Andern nicht zu deinem. Beispiel: Wenn du siehst, dass jemand im Sumpf versinkt, versuchst du ihm eine Leiter oder einen Ast zu reichen, mit dem du ihn hinausziehen kannst. Sicher wirst du nicht selbst in den Sumpf steigen, weil du wahrscheinlich selbst darin versinken würdest...


    Mitleid. Du bist in hilfloser Emotion mit dem andern verstrickt. Du findest das Schicksal des andern tragisch. Mitleid lässt dich nicht ins Handeln kommen. "Oh dieser arme Mensch im Sumpf" ... und aus lauter Mit-Leiden, bist du hilflos oder meinst nichts tun zu können.


    Ich habe einige Jahre Krebsbetroffene Menschen und ihre Angehörigen begleitet. Krebs macht Angst, weil er automatisch mit der Furcht vor dem Tod verknüpft ist. In dieser Zeit habe ich viele Menschen begleitet, die schlussendlich auch gestorben sind. Manchmal war das Schicksal äusserst "brutal", wenn zum Beispiel eine junge Mutter von Kleinkindern starb oder wenn Kleinkinder mitten aus dem Leben gerissen wurden. Wenn ich diese Menschen und ihre Angehörigen begleite (nicht mitleide), dann kläre ich mit diesen Menschen, wie ich sie unterstützen kann und in welcher Form. Wollen sie überhaupt eine Begleitung? Meine Intuition sagt mir aber auch, wo ich handeln muss, ohne noch lange zu sprechen ... Oder ich vermittle Informationen / Wissen, dass sich Betroffene wieder selber helfen können (Empowerment).


    Mitleiden wäre hier alles andere als angemessen gewesen, den so hätte ich diesen Beruf als Berater und Begleiter nicht wahrnehmen können. Auch wenn ich gedacht hätte, wie schlimm und schrecklich das alles ist, wäre ich eher im Mitleid als im Mitgefühl gewesen. Klar ist das alles schrecklich aber in diesem Gefühl von Schrecken und Hilflosigkeit zu bleiben bringt nichts!


    Wie bin ich damit umgegangen um in der Handlungsfähigkeit zu bleiben? Zu allererst ist es für mich wichtig zu wissen, dass das Leben für mich und alle andern auch Schicksalsschläge bereit halten kann, wie immer die aussehen. Ich bin davon überzeugt, dass es nicht die Aufgabe des Lebens ist dich und mich glücklich zu machen, sondern bewusst. Wenn ich mit einem Krebskranken Menschen im Kontakt bin, habe ich INNERLICH grossen Respekt vor seinem Schicksal, egal wie er damit umgeht. Ich traue diesem Menschen zu, dass er und seine Seele in der Lage sind, dieses Schicksal zu tragen. Das sage ich ihm nicht, denn das könnte sehr zynisch klingen - es ist meine innere Einstellung diesem Schicksal gegenüber. Das ist ein Aspekt von Mitgefühl und dabei nehme ich mein Gegenüber ernst. Ich lasse das Schicksal dieses Menschen bei ihm und mache es nicht zu meinem. Sonst würde ich ihm etwas "wegnehmen" und das geht nicht. Niemand kann das Schicksal eines andern Menschen tragen. Wenn ich aber im Mitgefühl bleibe, bin ich fähig mein Gegenüber, wenn er oder sie es will, auf stimmige Art zu begleiten.


    Als ich noch in diesem Berufsfeld gearbeitet habe, hörte ich oft den Spruch: Wie kannst du nur eine solche Arbeit machen, das ist doch extrem belastend. Empfand ich nicht, denn ich habe es gerne gemacht und viel gelernt. Was mir half war ein guter Ausgleich mit Sport, Biken aber auch eine natürliche, nicht abgehoben-esoterische Spiritualität. Eine Spiritualität, die sich mit allem verbunden weiss und sich nicht losgelöst vom Grossen-Ganzen sieht. Ein kindliches, aber nicht naives, erwachsenes Vertrauen ins Leben, Humor, Freude helfen mir dabei.


    Soweit meine persönlichen Gedanken zu Mitleiden und Mitgefühl, Empathie, Krankheit und Herausforderung im Leben. Ich wünsche dir einen guten dritten Advent.

    Einmal editiert, zuletzt von Daniel ()

  • Lieber Daniel !
    Das hast du wunderbar geschrieben.
    Mir aus dem Herzen ; dachte da nimm
    ich mir viel Zeit dafür. Spürte auch,
    dass mir dies sehr nahe gehen wird.
    Hab meine Eltern und meinen Mann
    so durch ihre schwere Krebszeit bis
    in den Tod begleitet. Heute bin ich
    für alles dankbar, was ich erleben
    durfte. Oft fiel es mir schwer, mich ab-
    zugrenzen und nicht mit zu leiden !
    Wichtig war auch zusammen lachen
    trotz der schweren Zeit. Heute würde
    ich sie auch viel mehr knuddeln, dies
    geschah viel zu selten. Darum bin ich
    jetzt immer am umarmen. ♡☆♡
    Spüre, dass sie " von oben und in
    mir " mich unterstützen !
    Danke auch, dass du von deiner wunder-
    baren Arbeit erzählt hast. Du hast es in
    Liebe getan und dann ist es ja keine
    Arbeit.
    In Verbundenheit
    ♡☆♡ Bea

  • Danke liebe Bea für dein schönes Feedback. Ja, diese Arbeit habe ich gerne gemacht, da konnte ich meine Berufung leben. Im neuen Beruf bin ich herausgefordert herauszufinden, wie ich diese Berufung leben kann und darf. Vielleicht ist es viel einfacher als ich denke... Hat es mit dem Hier und Jetzt zu tun? Vielleicht kann man seine Berufung an jedem Ort leben - vielleicht gaukelt das Ego in spirituellem Gewand mir was vor, wie etwas zu sein hat und sein sollte, damit man Berufung leben kann ...

  • vielleicht gaukelt das Ego in spirituellem Gewand mir was vor, wie etwas zu sein hat und sein sollte, damit man Berufung leben kann ...

    Ja, die Gefahr ist gross - jedenfalls ertappe ich mich selbst immer wieder, beim Lauschen von tiefgründigen Reden oder Studieren des Kurs in Wundern ://


    Wie auch immer, da geh ich durch, bis der letzte Zipfel des Egos durchschaut ist und den perfekten Platz bekommt <3

  • Ein vielleicht hilfreicher Aufsatz zum Thema:




    Mitgefühl erziehen, von Thanissaro Bhikkhu (2006; 5 S./16KB) Übersetzung: von Laien für ZzEWie können wir einem uns lieben, der krank ist oder im Sterben liegt, am besten dienen? In solch einer Situation einfach nur aus Mitgefühl und mit Achtsamkeit zu agieren, ist nicht genug. Da gibt es Geschicke, die wir zuerst erlernen müssen, bevor wir wirklich mitgefühlvoll dienen können.


    book.gif Eine Druckversion ist enthalten in dem Buch: Reinheit des Herzens.