Zitat von Erwein Freiherr von AretinDie Sühneleiden der Therese sind zweierlei Art, beide aus überströmender Nächstenliebe geboren. So übernimmt Therese die körperlichen Leiden irgendeiner Person, ohne daß man häufig die Zusammenhänge erkennen kann. Da leidet sie die Lungenentzündung eines andern, die Brandwunden eines dritten mit allen Erscheinungen der Krankheit und der Schmerzen, während der „rechtmäßige" Träger der Schmerzen augenblicklich geheilt ist. Diese Fälle sind ungemein zahlreich. Ebenso die zweite für Therese sehr viel schmerzlichere Art des Sühneleidens: die Übernahme der Leiden der Seele eines Verstorbenen im Reinigungsort. Ein Mensch, dessen ganzes Leben im Schatten und im vertrauten Umgang mit dem Heiland sich abspielt und der auf diesen Umgang freiwillig verzichtet, um das Leiden eines Verstorbenen zu übernehmen, das ein brennendes Leiden der Sehnsucht ist, leistet damit eine heroischere Tat, als wir erkennen können, die wir nicht in dieser seelischen und geistigen Höhenluft leben.
Als ich erstmals im Juli 1927 nach Konnersreuth kam, hatte Therese das Kehlkopfleiden eines werdenden Priesters übernommen, der, hätte er es behalten, nicht hätte geweiht werden können. Infolge dieses Leidens war ihr das Schlucken unmöglich und die heilige Kommunion konnte - ich war davon Zeuge - nur in der Weise erfolgen, daß Therese ihren Kopf so hielt, daß ein winziges, angefeuchtetes Stück der heiligen Hostie gleichsam infolge der eigenen Schwere in den Schlund fiel. Wenige Monate später begann eine andere Art der heiligen Kommunion, die seither alltäglich geworden ist: die konsekrierte Hostie wird dem sie reichenden Priester gewissermaßen aus den Fingern gerissen und verschwindet ohne jede Schluckbewegung.
Mich hat ja solcherlei "Leid von anderen übernehmen" noch nie so recht überzeugt.