Sasha's Glossar

Hier werde ich eine Liste anlegen mit für mich wichtigen Begriffen, in der Hoffnung, dass ihr davon ebenfalls etwas profitieren könnt. Ob die Liste so bleibt oder ob ich sie noch ergänzen werde, werde ich mit der Zeit entscheiden.


Neurodivergenz (neurodivergent)

Ein Oberbegriff für verschiedene atypische neurologische Entwicklungen, wie z. B. Autismus, ADHS, Dyslexie, Dyspraxie und Legasthenie.


neurotypisch

Bezeichnungen für Personen die nicht neurodivergent sind, also neurologisch "typisch" entwickelt sind


Neurodiversität

Eine Theorie nach der neurodivergente Entwicklungen nicht als Fehlentwicklungen bzw. Krankheiten angesehen werden sondern als natürliche Varianten der menschlichen Entwicklung. Vergleichbar mit Biodiversität in der Tier- und Pflanzenwelt.


ADHS

"Aufmerksamkeitsdefizit Hyperaktivitäts Störung". Ursprünglich wurde zwischen ADHS (hyperaktiv) und ADS (nicht hyperaktiv) unterschieden. Diese Unterscheidung wurde inzwischenzeitlich aufgehoben (man entscheidet statt dessen zwischen hyperaktivem und unaufmerksamem Typus). Bei ADHS handelt es sich um eine Neurodivergenz, die eine Vielzahl von Symptomen verursacht, unter anderem Konzentrationsschwäche, Entscheidungsparalyse, Impulsivität, sensorische Sensibilität, emotionale Regulierungsschwierigkeiten, das Bedürfnis nach kontinuierlicher Abwechslung. Früher dachte man, dass ADHS sich im Teenager- bzw. Erwachsenenalter im Rahmen der Gehirnentwicklung verwachsen würde, doch inzwischen hat man erkannt, dass rund 50% der Kinder mit ADHS auch als Erwachsene noch betroffen sind. Tendenziell sind Jungen/Männer eher hyperaktiv und Mädchen/Frauen eher unaufmerksam, bzw. nach innen gekehrt.


Autismus

Früher wurde zwischen Asperger und Autismus unterschieden. Auf Grund neuer Diagnostik und der extrem problematischen Herkunft des Namens "Asperger" (Erläuterung folgt falls gewünscht) spricht man inzwischen nur noch von Autismus. Autismus zeigt sich in vielen verschiedenen Formen, die Symptomatik kann dabei ganz unterschiedlich sein. Zu den typischen Symptomen gehören sensorische Sensibilitäten, Schwierigkeiten mit bestimmten Aspekten des Sozialverhalten (z. B. Small Talk oder anderes "ritualisiertes" Sozialverhalten), emotionale Regulierungsschwierigkeiten, das Bedürfnis nach Routine, sehr geringe oder extrem ausgeprägte Mimik.


allistisch

Allistisch bedeutet nichts weiter als "nicht autistisch". Allistisch ist dabei nicht mit neurotypisch gleichzusetzen, da eine allistische Person immer noch neurodivergent sein kann (z. B. mit ADHS)


Autist/autistische Person/Person mit Autismus

Die Begriffe "Autist" und "autistische Person" sind generell von den meisten anerkannt und für gut befunden. "Person mit Autismus" ist dagegen eine Bezeichnung, die die meisten Autisten ablehnen, da sie die Person von der Neurodivergenz trennt und es mehr wie eine Krankheit klingen lässt.


"leiden"

Personen mit ADHS/Autismus oder anderer Neurodivergenz leiden nicht an ihrer Neurodivergenz. Sie leiden an gesellschaftlichen Strukturen, Anforderungen und Anfeindungen. Eine Aussage wie z. B. "Er leidet an Autismus" wird daher allgemein als diskriminierend angesehen.


Symptomatik

Es gibt hier den geflügelten Spruch "kennst du eine Person mit ADHS, dann kennst du eine Person mit ADHS". Die ist eine Anspielung auf "kennst du einen, kennst du alle" und soll betonen, dass jede einzelne neurodivergente Person einzigartig ist und damit auch eine einzigartige Symptomatik zeigt.


maskieren

Als maskieren bezeichnet man die Bewältigungsstrategie neurodivergenter Personen, bei der sie neurotypisches Verhalten lernen und übernehmen um nach außen neurotypisch zu wirken. Vielen gelingt dies gar nicht oder nur sehr bedingt, weshalb sie oft früh diagnostiziert werden und oft auch ihr restliches Leben nicht vollständig in der Gesellschaft zurecht kommen. Die meisten jedoch lernen sehr gut zu maskieren, so dass sie nicht als neurodivergent erkannt und diagnostiziert werden, sondern oftmals einfach als "merkwürdig" oder "schräg" angesehen werden und entweder als Außenseiter oder unter Gleichgesinnten durch das Leben ziehen. Speziell bei Frauen werden ADHS und Autismus sehr oft erst im Erwachsenenalter (zumeist in den 30ern) festgestellt, da sie von Kindheit an dazu erzogen werden, sich zu benehmen, anzupassen und nicht zu "stören", wähernd man bei Jungs erheblich nachsichtiger ist ("so sind Jungs nunmal"). Spätdiagnostizierte Personen gehen daher auch durch den Prozess des "demaskierens", wo sie erkennen, was wirklich ihr eigenes Verhalten ist und was sie sich angewöhnt haben um zu maskieren.


Komorbidität

Als "Komorbidität" bezeichnet man das oft gemeinsame Auftreten von Krankheitsbildern. Bekannte Beispiele sind die Komorbiditäten zwischen Bluthochdruck und Herzproblemen oder chronischen Schmerzen und Depressionen. Bei Neurodivergenzen ist z. B. bekannt, dass eine Komorbidität existiert zwischen ADHS und Autismus, da es sehr wahrscheinlich ist, dass man beides hat und nicht nur eines davon. Außerdem bestehen z. B. Komorbiditäten zwischen ADHS und Esstörungen, Depressionen und Angststörungen.


Diagnostik

ADHS kann zumeist von einem Psychologen diagnostiziert werden, Autismus dagegen wird üblicherweise nur von einem Psychiater diagnostiziert. Leider gibt es wenige psychologische Fachärzte, die ausreichend geschult sind um Neurodivergenzen zu diagnostizieren. Psychiater, die bereit sind Autismus in Erwachsenen zu diagnostizieren, sind derart gering vertreten, dass Wartezeiten von 2 Jahren nicht ungewöhnlich sind. Dies und auch das oft noch sehr mangelhafte Wissen der verfügbaren Fachärzte haben dazu geführt, dass unter Autisten inzwischen die Selbstdiagnose ernst genommen und gewürdigt wird. Dies beruht darauf, dass Autisten sich oft gegenseitig bei der Diagnostik unterstützen, also die Thematik aus Betroffenensicht angehen, während Fachärzte auf theoretisches Wissen aus der Sicht einer allistischen Person zurück greifen. Somit sind teils schon die Fragen zur Diagnostik von ADHS oder Autismus auf eine Art formuliert, dass die Patienten die Intention vermuten und bei der Antwort "raten" müssen.


Kommunikation

Neurodivergente Personen kommunizieren anders als neurotypische Personen. Es gibt Bereiche, in denen sich dies lediglich in Form einer Präferenz zeigt, aber oftmals können die Unterschiede auch durchaus gravierend sein. Manchmal führt dies sogar zum Streit. Grund hierfür ist, dass neurodivergente Personen oft sehr klar und offen kommunizieren, was sie meinen, während neurotypische Personen oft mehr interpretieren und implizieren. Ein Beispiel: Man stelle sich vor, zwei Personen gehen miteinander spazieren. Sie (neurotypisch) sagt "Ist ganz schön kalt" und möchte damit anregen, dass er ihr doch seine Jacke geben soll. Er (neurodivergent) antwortet "Ja stimmt" weil er die Aussage als einfache Feststellung ansieht. Als Folge ist sie möglicherweise enttäuscht und sagt "Es ist spät und ich bin müde" um das Date vorzeitig abzubrechen. Er stimmt umgehend zu sie heim zu bringen, weil er nicht möchte, dass sie sich unwohl fühlt. Am Ende ist sie enttäuscht und er denkt, das Date war ein Erfolg. Dies nur als Beispiel.


Vorurteile/Stereotypen

Wenn Menschen von ADHS hören, denken sie oft an den aggressiven, lauten Zappelfillip. Die ist nur eine von vielen Facetten. Anderenfalls würden nicht so viele Personen für über 30 Jahre unerkannt bleiben. Bei Autismus denkt man oftmals gleich an Rainman, oder andere Darstellungen von Personen, die über wenig bis keine Sozialkompetenz verfügen und dafür hohe Intelligenz haben oder sogar als Savant gewertet werden. Weitere Beispiele sind Dr. Sheldon Cooper (The Big Bang Theory) der zwar autistische Züge zeigt, aber in vielen Punkten einfach egoistisch und grob unhöflich ist, und "The Good Doctor" mit der Darstellung eines jungen Savant der zum Arzt wird, aber konstant ungefiltert unangemessene Dinge sagt, keine Sozialkompetenz hat und fast nie den Menschen in die Augen sieht. Dies sind sehr schadhafte Stereotypen die oft mit dafür sorgen, dass Neurodivergenzen als etwas schlimmes und unangenehmes verurteilt werden, und die auch einer Diagnostik oft im Weg stehen. So wurden schon Diagnosen abgelehnt mit Begründungen wie "Kann ein flüssiges Gespräch führen" oder "kann Augenkontakt halten".


Trauma

Spätdiagnostizierte neurodivergente Personen tragen oft Jahrzente an Trauma in sich. Grund dafür ist, dass man ihnen schon in der Kindheit sagte, dass sie ihr Verhalten ändern sollen. Vor allem aber fühlten sie sich oft nicht verstanden, nicht gesehen, ausgestoßen oder einfach wie ein Alien unter Menschen. Dieses Trauma bleibt oft unterkannt bis zur Diagnose. Anschließend betrachtet die betroffene Person ihr gesamtes Leben durch eine Art neue Linse, wodurch vieles plötzlich mehr Sinn macht. Man erkennt dann, wo man es vielleicht hätte leichter haben können, und warum bestimmte Dinge nie funktionieren konnten. Zum Verarbeitungsprozess gehört auch, um die verpassten Chancen der Vergangenheit zu trauern, das entstandene Trauma anzuerkennen, und dann einen neuen Weg nach vorn zu finden. Dazu gehört oftmals auch die wiederholte Arbeit mit dem inneren Kind.


Für den Moment belasse ich es dabei. Ich danke dir, wenn du dir die Zeit genommen hast, alles zu lesen. Fragen dürfen mir jederzeit gestellt werden. Sofern gewünscht kann ich im Forum weiter in die Tiefe gehen.


Sasha

ADHS & Autismus

Bitte nimm meine Worte so wie ich sie schreibe. Bei Unklarheiten frag nach. Danke!

Kommentare 26

  • Vielen Dank für diesen Blog! :)


    Falls jemand Interesse hat, mehr über einen konkreten Fall in unserer Selbsthilfeorganisation bezüglich Verweigerung von Barrierefreiheit für Autisten durch eine Sozialbehörde zu erfahren:


    Hungerkost 2022

    https://autisten.enthinderung.de/hungerkost_2022/

  • Wenn Du magst, nutze dafür das Wiki. Wenn dann jemand einen Begriff verwendet, wird er gekennzeichnet und eine Vorschau beschreibt den Begriff - so sieht es dann aus, Beispiel Heiliger Balkon. :)

    • Ich denke das Wiki sollte eher für spirituelle Begriffe sein oder?

      Falls es offen für alles ist, werde ich es vielleicht noch mal übertragen. Aber zunächst wollte ich schauen was es überhaupt für Reaktionen gibt, falls es welche gibt.

    • Scheint übrigens in den Kommentaren nicht zu funktionieren. Aber generell weiß ich was du meinst.

    • Stimmt, in Kommentaren funktioniert es nicht.

    • Tut mir leid aber der Grossteil dieser Themen gehört in die Hände von Fachkompetenten Personen