Erleuchtung als Provokation der gewöhnlichen Welt

Auszug aus dem Buch "Ich bin. Spirituelle Alchemie des inneren Universums" von Swami Vishnudevananda Giri


Der weise Mensch, der weiß, dass alle diese Objekte unwirklich sind, betrachtet sie nicht als Objekte des Vergnügens, die zu erlangen sind. Wer hinter den von seinem eigenen Verstand erschaffenen Objekten herläuft, wird gewiss Leid erfahren. Die Welterscheinung trat infolge von Wunsch und Verlangen ins Dasein; sie hört nur dann auf, wenn Wünsche und Begierden nicht mehr auftauchen.“


Yoga Vasishtha


Kap. 4.45, „Die Geschichte von Bhima, Bhasa und Dridha“


Erleuchtung geschieht nicht inmitten der gewöhnlichen, alltäglichen menschlichen Welt. In der logischen Welt des alltäglichen Bewusstseins ist die Erleuchtung aus Prinzip unmöglich, sie ist unzulässig, unvorstellbar, verboten, weil sie allen Gesetzen und Inhalten dieser Welt widerspricht.


Das Erscheinen eines Erleuchteten – und selbst die Idee der Erleuchtung – sind Tatsachen, die auf das gesamte, durch Karma bedingte System an Anschauungen und Werten der gewöhnlichen Welt störend wirken. Denn alle Illusionen dieser Welt, alle ihre Grundwerte und Inhalte zittern im Moment der Erleuchtung, werden in Frage gestellt und verschwinden danach wie ein Traum.


Wenn es Erleuchtung gibt, dann gibt es keine Welt, wenn es die Welt gibt, dann gibt es keine Erleuchtung. Die Welt existiert nur deswegen, weil es keine Erleuchtung gibt.


Das Erscheinen der Erleuchtung und eines Erleuchteten räumen in einem Moment mit der gewöhnlichen Welt auf, mit allen ihren Inhalten, Gesetzen und Werten, so wie ein Lichtstrahl sofort die Macht der Finsternis aufhebt, auch wenn sie Millionen von Jahren lang vorhanden war. Die gewöhnliche Welt und die Erleuchtung sind nicht miteinander vereinbar, sie können nicht nebeneinander existieren, genau so wie die Dunkelheit nicht die Präsenz von Licht verträgt, da sonst die Dunkelheit eben nicht Dunkelheit bleiben würde.


Deswegen ist Erleuchtung eine Erscheinung aus einer anderen Welt, in der das Sein sich noch nicht zur Illusion umgeformt, die Zeit sich noch nicht geteilt und der Raum sich noch zu keiner Dimension reduziert hat.


Unwissenheit ist nur in der verfestigten Welt grober materieller Objekte möglich, wenn das Bewusstsein auf die Ideen „Ich bin der Körper“ und „Die Welt existiert unabhängig von mir“ fixiert ist.


Die Erleuchtung entstammt dem ursprünglichen, hohen, sich selbst organisierenden Chaos der Schöpfung, dem Licht der jenseitigen, transzendenten, zauberhaften Welt, in der Quantenunbestimmtheit vorherrschen. Dort ist die Zeit nicht getrennt vom Raum, das unendlich Große kann innerhalb des unendlich Kleinen Platz finden, da kann eine Form formlos sein, und das Subjekt ist untrennbar vom Objekt.


Dort sind das Ich und Gott eins, gleichzeitig eins und nicht eins, aber auch weder eins noch nicht eins.


Mehr zu diesem Thema erfahren in dem Buch „Ich bin. Spirituelle Alchemie des inneren Universums“ von Swami Vishnudevananda Giri.


Mehr über den Autor auf https://de.advayta.org. Weitere Bücher von Swami Vishnudevananda Giri: „Shakti Yantra. Das Leuchten der kostbaren Geheimnisse“, „Nada und Jyoti Yoga“, „Leben in Gott“, „Leben in der Multirealität“, „Laya Yoga, „Der Pfad der spontanen Erleuchtung“, „Kundalini Yoga“, „Kodex eines Meisters“, „Spirituelle Alchemie“