Lesetipp Spirituelle Entwicklung aus der Advaita-Sicht

Viele Menschen sind auf dem spirituellen Weg. Einige sind noch im Begriff, diesen Pfad für sich zu entdecken. Andere fragen sich oft, was unter einem solchen Weg überhaupt zu verstehen ist und wozu er gut ist? Was hat er mit Religion zu tun? Kann man spirituell, aber nicht religiös sein? Viele Fragen – auf einige gibt es Antworten.


Hier ist die Antwort aus der Sicht des Advaita der Siddhas.


Zuerst ist es hilfreich zu wissen, woraus ein Mensch überhaupt besteht. In der indischen Philosophie nennt man das „Koshas“ oder „Hüllen“. Davon gibt es fünf:

Annamayakosha: physischer Körper
Pranamayakosha: Energiekörper
Manomayakosha: Astralkörper (Emotionen, Gefühle, gewohnte astrale und mentale Bilder)
Vijnanamayakosha: Intuition
Anandamayakosha: Kausalkörper, auch „Körper der Glückseligkeit“

Mit dem physischen Körper ist alles klar. Der Energiekörper umhüllt den physischen und hält ihn am Leben. Der Astralkörper beinhaltet die gewohnten Emotionen und Gefühle, ebenso Bilder, die man z.B. manchmal auch in den eigenen Träumen sieht.


Mit dem Wahrnehmen der eigenen Intuition beginnt die Spiritualität


Ab der Hülle der „Intuition“ beginnt das Leben erst wirklich spirituell zu werden. Sie ist nicht bei allen Menschen gut entwickelt. Ihr Vorhandensein oder zumindest ihre Nutzung setzt eine gewisse spirituelle Reife voraus.


Der Kausalkörper oder „Körper der Glückseligkeit“ ist das Licht des Bewusstseins, während gleichzeitig noch ein subtiles Ego bestehen bleibt.


Über allen Koshas bzw. Hüllen steht die transzendentale Ebene des Bewusstseins. Sie heißt in der vedischen Philosophie Brahman oder Paramshiva. Andere Namen für die gleiche Realität sind „Natur des Geistes“, „Sahaja“, „Nirmanakaya“, „höchstes Ich“, „Ich bin“ usw., je nach Religion und Verständnis.


Worin besteht also die spirituelle Entwicklung, wenn man diese Betrachtung auf den 5 Hüllen basiert? Das Bewusstseins des Menschen, der am Anfang vor allem auf der physischen Ebene verankert ist, entwickelt sich zuerst in die Richtung der Energie (man macht zum Beispiel Hatha Yoga oder die Atemübungen des Pranayama) und man wird im Bewusstsein bezüglich dieser Prozesse achtsamer.


Die Entwicklung des inneren Beobachters


Danach betrachtet man seine Emotionen, Gefühle sowie astrale und mentale Bilder genauer und reinigt sie. Man verfeinert die Emotionen und Gefühle, indem man sich ihrer Leerheit und permanenten Veränderlichkeit bewusst wird. Man entwickelt den eigenen inneren Beobachter, der von allem emotionalen und mentalen Geschehen unabhängig ist.


Sobald zu den eigenen Emotionen, Gefühlen und Gedanken Distanz entstanden ist, kommt die Intuition – genauer: subtiles intuitives Bewusstsein – ins Spiel. Das innere Leben bekommt eine andere, zusätzliche Ebene. Man schaut tiefer durch die Schablonen des eigenen mentalen Geistes hindurch und bewegt sich innerlich in subtileren Dimensionen.


Der Kausalkörper ist der Körper der Glückseligkeit, er besteht aus dem Licht des leeren Bewusstseins. Je glücklicher und subtiler ein Mensch ist, desto stärker ist sein Kausalkörper. Durch Meditation und andere spirituelle Praktiken wird dieser Körper entwickelt und gestärkt.


Die Erkenntnis der inhärenten Leerheit aller Phänomene stärkt das innere Licht der Bewusstheit jenseits von Namen und Formen.


Diese Erkenntnis immer in sich zu tragen und sich im Zustand von Leerheit und Glückseligkeit zu befinden, ist das Ergebnis einer erfolgreichen spirituellen Praxis, in sehr seltenen Fällen auch des spontanen Erwachens zur Realität, wie sie tatsächlich ist.



Mehr zum Thema gibt es in den Büchern von Swami Vishnudevananda Giri „Laya Yoga“, „Shakti Yantra“, „Kundalini Yoga“, „Spirituelle Alchemie. Der Weg der inneren Askese“, „Leben in der Multirealität“, „Nada und Jyoti Yoga“, „Leben in Gott“, „Kodex eines Meisters“, „Ich bin. Spirituelle Alchemie des inneren Universums“


Mehr über den Meister und die Lehre: https://de.advayta.org

Kommentare 7

  • Hallo zusammen, hallo Indira,


    in der Esoterik ist oft die Rede vom Aufstieg in die 5. Dimension, der Artikel erinnerte mich daran. Könnte es sein, dass die Koshas wichtig sind? Sie helfen als Erstes dem Individuum und ermöglichen es, sich vom „kleinen Ich“ zu lösen. Dadurch kann es erkennen, wie alles zusammenhängt. Damit meine ich eigentlich, dass wir lernen, die verschiedenen Koshas zu vereinen, um (als Mensch) ganz zu werden? Oder bin ich hier ganz auf der falschen Fährte? ¦)

    • Lieber Eisu,


      danke für Deine Frage und Deine Überlegungen!


      Die Antwort auf Deine Frage sehe ich dem Artikel "Drei Körper eines Erwachten" (der war hier vor ein paar Wochen veröffentlicht).


      Solange man in einem Körper lebt, hat und braucht man Koshas. Die Frage ist nur, wo der Schwerpunkt des Bewusstseins ist. Wenn er in den Koshas ist - spricht man vom Leben im Samsara und in den Illusionen, weil die Koshas sehr unbeständig sind und sich ständig verändern.

      Ist der Schwerpunkt des Bewusstseins beim "Ich bin" oder in einer noch subtileren Dimension - dann werden die Koshas zwar benutzt und sie nützen einem natürlich auch, aber sie verwirren den Menschen nicht, er verliert nicht seine wirkliche Identifikation.

      Darum geht es, soweit ich es verstehe.


      Viele herzliche Grüße <3

      Indira

    • Ah, okay. Dann könnte „Kosha“ ein anderes Wort für „Ego“ sein. Oder, um genauer zu sein, bezeichnet es verschiedene Ebenen des Ego?

    • Das Ego ist nach der vedischen Philosophie so etwas wie ein Klebstoff. Es ruft das Gefühl hervor: "das sind meine Gedanken, meine Gefühle, meine Ziele... Alle diese Koshas - das bin ich". Das Ego ist das Instrument der falschen Identifikation. Deswegen versuchen viele spirituelle Menschen diesem Klebstoff etwas entgegenzusetzten und analysieren sich ein wenig genauer :) .

      Aber wenn man Ego und Person gleichsetzt, dann kann man sagen, dass die Koshas eine Person ausmachen, ja.

      Das ist aber nur meine Sicht darauf. Ohne Gewähr :)

    • Danke Indira – doch, Deine Erklärungen ergeben Sinn und sind (für mich) nachvollziehbar. <3

    • Mir ist noch etwas dazu eingefallen, wie das man das Ego und seine Wirkung auf uns erklären könnte: Das Ego ist einerseits unser Freund, denn ohne ein Ego kann man auf der physischen Ebene einfach nicht existieren. Auf der anderen Seite ist ein Ego das, was uns am meisten Leid bringt, denn abgesehen von physischen Schmerzen, entstehen alle psychischen Leiden durch das Ego.

      Deswegen gibt es in allen Religionen so etwas wie die Hingabe an Gott, den Wunsch, seinen Willen zu erfüllen und so weiter. Das ist nicht anderes, als der Versuch, uns von dem Klebstoff "Ego" und den daraus entstehenden Schmerzen zumindest zum Teil zu befreien.

      Wenn man sich Gott (Brahman, dem Absoluten, der Natur des Geistes und so weiter, je nach Religion) hingibt, fühlt man sich in Bezug auf den Druck des eigenen Egos leichter. Man fühlt sich mit der Natur seines eigenen Geistes mehr verbunden und wächst dadurch als Bewusstsein.

      Denn das Ego redet uns auch ein, etwas Kleines und auf den Körper und die Psyche beschränkt zu sein. Auch diese Empfindung ist Leid. Denn unser Bewusstsein strebt nach Erweiterung. Wir fühlen uns überall, wo es viel Raum gibt (auch für unser Bewusstsein), freier und leichter. In solchen Momenten lässt uns das Ego mit seinen Beschränkungen etwas in Ruhe, es wird kleiner und schwächer.

      Damit man sich mit dem weiten (bzw. unendlichen) Raum des Bewusstseins, den man Gott nennt, verbinden kann, versucht man, sein Ego zu bändigen bzw. es als eine vorübergehende Illusion zu betrachten. Man distanziert sich etwas von ihm.

      Denn eine Identifikation mit dem Ego und den Koshas (Hüllen) erzeugt trotz aller pragmatischer Nützlichkeit im Alltag viele Probleme.

      Deswegen ist es wichtig, sich ab und zu selbst "auseinander zu nehmen" und die Essenz zumindest für ein paar Augenblicke wirklich zu fühlen. Also nicht das Ego oder die Koshas. Sondern das, was unendlich größer ist und frei macht, auch vom Ego.

      Wie Jesus sagte: "Die Wahrheit wird euch frei machen." Die Wahrheit darüber, dass wir in Wirklichkeit nicht das Ego und auch nicht die Hüllen des Bewusstseins sind.

      Sondern das, was man mit Worten nicht ausdrücken kann, was aber jenseits der Koshas/Hüllen liegt.

      _/|\_  :sieg: