Die Realität und mentale Modelle

Die Realität und mentale Modelle


Auszug aus dem Buch von Swami Vishnudevananda Giri „Leben in der Multirealität. Parasattarka Logik“


„Oftmals unterscheiden Menschen nicht zwischen einem mentalen Modell der Realität und der Realität selbst. Zum Beispiel ist eine Person von diesem und jenem überzeugt. Ich frage sie dann: Ist das Realität oder denken Sie über die Realität nach? Wir sollten das herausfinden und nicht die Realität mit dem Denken über sie verwechseln. Das sind verschiedene Dinge. Gedanken über die Realität sind immer ein unzureichendes Bild der Welt, eine unzureichende Beschreibung. Alles, was wir denken, sind nur Gedanken über die Realität. Sie selbst sieht anders aus.


Wir kennen die Realität erst, wenn wir wissen, was jenseits der Gedanken liegt. Die Realität ist den Heiligen bekannt, den Göttern, die über die Gedanken hinausgedrungen sind. Wenn wir mit diskreter Logik operieren, einfach bestimmte Schemen und Konzepte aufbauen, dann ist das nicht die Realität. Das sind Gedanken darüber. Wenn wir mit einem so primitiven System wie dem Denken über die Realität als Sichtweise arbeiten, können wir die Realität natürlich weder erkennen noch kontrollieren. Diese diskrete Logik bildet einfach das Ego (Ahamkara) heraus. Warum sagt man immer wieder, man würde nicht-konzeptuelles Bewusstsein benötigen und müsse konzeptionelles Denken überwinden? Es geht darum, die diskrete Logik, den dualen Schwarz-Weiß-Denkansatz zu überwinden und zur unscharfen Logik, der Sattarka-Logik als einer höheren Ebene überzugehen. (siehe auch den Artikel „Multirealität des Bewusstseins“ in diesem Blog)


Wenn wir kontemplieren und im meditativen Zustand sind, bedeutet das nicht, dass wir unseren Geist und unsere Gedanken überhaupt nicht nutzen sollten. Die Gedankenenergie ist sehr stark und wir können den Geist überhaupt nicht blockieren. Das bedeutet, dass wir zu einem anderen Denksystem übergehen. In diesem Denksystem ist der Beobachter, also das Bewusstsein, und zwar das natürliche kontemplative Bewusstsein das Wichtigste. Gedanken werden hier als ein Spiel der Energien dieser natürlichen Bewusstheit gesehen. Anders als im Rahmen des Systems der diskreten Logik, entsteht nun zwischen der natürlichen Bewusstheit und den Gedanken eine Beziehung, so wie zwischen einem König und einem Diener oder Minister.


In den spirituellen Traditionen sind die Meister oft so vorgegangen, dass sie die Konzeptualisierung des Geistes der Schüler zerstörten. Was tut ein Zen-Meister, wenn er einem Schüler eine Frage stellt oder ihn mit einem Stab schlägt? Er versucht, ihn aus der Logik des diskreten Geistes herauszureißen und sein Denken auf die Sattarka-Logik zu übertragen. Denn wenn er mit einem diskreten Geist meditiert, wird er keine Erleuchtung erlangen und die Realität nicht verstehen.


Als Tilopa Naropa (beide waren buddhistische Heilige und Siddhas) dazu ermutigte, verschiedene scheinbar verrückte Dinge zu tun, half er Naropa, sich von der diskreten Logik zu befreien, obwohl Naropa selbst ein berühmter Weiser und Kenner der Schriften war. Er war Wissenschaftler, ein großer Meister der diskreten Logik.


Als ein Novize zu einem christlichen Ältesten kam, gab der ihm eine Matte und sagte: „Hier ist eine Matte für dich, zerreiße sie.“ Als er sie zerriss, sagte der Älteste: „Jetzt nähe sie zusammen.“ - „Warum?“ - „Später wirst du es verstehen.“


Aus der Sicht der diskreten Logik liegt darin keine Rationalität, es ist bedeutungslos. Aus der Sicht der Sattarka-Logik stellt dies eine Leistung dar, um durch Demut und Gehorsam oder durch die Trennung von der üblichen Denkweise aus dem konzeptionellen Denken herauskommen.


Diskrete Logik ist der Denkapparat von Menschen ohne kreatives Denken. Wer sich selbst nicht vertraut, spürt sein höheres Selbst nicht, da er vom Universum getrennt ist. Die diskrete Logik schneidet das nichtkonzeptuelle Bewusstsein, das „Ich bin“-Gefühl, vollständig ab. Sie betrachtet es überhaupt nicht als Teilnehmer am Denkprozess. Manchmal kann ein Wissenschaftler gute Theorien entwickeln. Aber er stolpert sofort, wenn man ihn fragt: „Wie wäre es, den zu verstehen, der denkt?“ Er sagt dann, dass dies unmöglich sei, weil sein kognitiver Apparat stark eingeschränkt ist….


Mehr zu diesem Thema erfahren Sie im Buch von Swami Vishnudevananda Giri „Leben in der Multirealität. Parasattarka Logik“. Mehr über den Autor unter https://de.advayta.org


Weitere Bücher des Autors: „Laya Yoga. Das Leuchten der kostbaren Geheimnisse“, „Shakti Yantra“, „Leben in Gott“, „Nada und Jyoti Yoga“, „Ich bin. Spirituelle Alchemie des inneren Universums“, „Kodex eines Meisters“, „Spirituelle Alchemie“