Samsara ist Nirvana

Samsara ist Nirvana


Auszug aus dem Buch „Leben in Gott. Autobiographie eines Jnanis“ von Swami Vishnudevananda Giri


Beschreibung der Schlussphase eines Drei-Jahres-Retreats


"Alles, was ich in letzter Zeit machte, ist Meditation, beim Sitzen wie während des kontemplativen Gehens. Ich praktizierte drei Techniken: die Meditation der Leerheit, Atma Vichara und zwei Gehtechniken. Obwohl ich stark nach Erleuchtung und der Erfahrung der Natur des Geistes strebte, wusste ich nicht, wie sehr sie das Bewusstsein umstürzen, ahnte ich nicht, wie unfassbar die Samadhi-Zustände der Welt ohne Formen, die Erfahrungen der Nondualität und das Erleben des wahren Selbst sind. Gleichzeitig liegen diese Zustände sehr nahe beieinander. Jeder hat sie alle schon. Aufgrund unserer Unwissenheit und der Anhaftung an die weltlichen Wünsche und falsche Ansichten ahnen wir jedoch nichts davon. So ziehen wir eine elende Existenz in der Welt des Leidens vor, wo wir geboren werden und sterben müssen.


Ich bin den Heiligen und Lehrern, die mich geführt haben, so dankbar. Tatsächlich bin ich ein gewöhnlicher Mensch mit vielen Wünschen und egozentrischen Ideen. Dank der Lehrer konnte ich die Zustände erleben, die in den Sutras und Shastras (heiligen Schriften) als die höchsten Zustände der Verschmelzung mit dem Absoluten beschriebenen werden. Mein Bewusstsein veränderte sich in dieser Zeit sehr. Es wurde ganz anders. Das alte Ich verschwand irgendwo. Das Gehen, das Essen geschieht, als würde jemand anderer dies tun. Im Inneren breitete sich grenzenlos leuchtendes Bewusstsein der Leerheit und der Stille aus. Dies ist das Überbewusstsein. Es beobachtet alles. Es verlässt mich für keinen Moment. Es gibt jedoch Perioden, in denen es schwächer wird, wenn ich viel mit anderen kommuniziere und es zu einem Austausch von Karma und Energie im Astralkörper kommt. Während der Sitzmeditation und des Gehens nimmt es zu.


Meine letzten Erfahrungen machte ich am Ende des sechsten Monats des dritten Übungsjahres.


Es geschah unter normalen Umständen, d.h. im Wachzustand. Am Anfang stand eine lange Meditation. Ich war in einem Zustand großartigen, unendlichen Friedens. Er strömte tief in mich hinein, bis ich das Gefühl für Körper und Zeit verlor. Ich tauchte in einen unbeschreiblichen Zustand der Leere und des Lichts ein und löste mich vollständig darin auf.


Ich blieb ungefähr eine Stunde in diesem Zustand, obwohl es kein Zeitgefühl gab.


In diesem Zustand gibt es kein gestern, kein morgen, es gibt nur hier und jetzt. Es ist die Quelle von allem, das absolute, totale Erleben des gegenwärtigen Moments. Jeder Moment hier ist so vollständig und absolut, dass der Verstand nicht in Kategorien der Zeit denken kann und stehen bleibt.


Nachdem ich im Sitzen meditiert hatte, begann ich mit der Meditation im Gehen. Der Zustand blieb vollständig erhalten, obwohl ich äußere Objekte wahrnahm und ging. Die Welt fühlte sich unendlich fern und unwirklich an, ein majestätischer, endloser Ozean des Lichts und der Leere! Ich fühlte es direkt über meinem Kopf und war mir weiterhin jeden Augenblicks bewusst. Der Körper war fast nicht zu spüren, ich war mehr da als im Körper. Menschen, Straßen, Bäume, Berge – alles wirkte wie künstliche Dekorationen.


Während dieser Zeit erinnerte ich mich immer wieder daran, warum Shankara diese Welt eine Illusion nannte. Ja, die Welt, die unser Bewusstsein geschaffen hat: die Welt der Dualität, mit Subjekten und Objekten, die Welt der fixen Ideen und groben Objekte ist nichts im Vergleich zu dieser ursprünglichen, absoluten Welt. Sie ist nur ein blasses Spiegelbild. Das Manifestierte zu leugnen, sich nur auf die totale Leere zu konzentrieren, ist jedoch eine unvollständige spirituelle Erkenntnis.


Ich konzentrierte mich auf die mich umgebenden Objekte und auf meine Schritte und versuchte, das Unvereinbare zu verbinden: die volle Realität dieser Welt zu fühlen und dieses Bewusstsein einer grenzenlosen, ursprünglichen, glückseligen, uneingeschränkten Leerheit zu bewahren. Dieser Ozean des reinen Bewusstseins, den ich immer über meinem Kopf trug, begann herabzusteigen und alles um mich herum einzuhüllen. Er schien diese Welt voll und ganz durchdrungen zu haben, was ich zuvor nicht bemerkt und geleugnet hatte. Plötzlich, in einem Moment, änderte sich alles, so wie die Überlagerung von zwei Bildern als Effekt eine Interferenz mit holographischer Tiefe und Perspektive ergibt. Diese Welt schien zu leuchten, als würde sie von innen heraus mit etwas unendlich Wunderbarem und Unfassbarem bestrahlt.


Es war, als hätte sich eine zusätzliche Dimension an die Welt angedockt – die innere Bewusstheit. Objekte wurden nicht durch Sehen, Hören und Berühren wahrgenommen, sondern durch das Bewusstsein!


Grobe Dinge bestanden aus reinem Bewusstsein, das von innen zu leuchten schien. Dies war das gleiche Bewusstsein, das ich in den Meditationen erlebte, wenn ich den Geist von groben Objekten entfernte und im Samadhi eintauchte. Jeder Gegenstand besteht aus Licht! Erde, Baum, Blume, Stein und Mensch sind absolut und grenzenlos! Es war eine sehr klare und starke Wahrnehmung. Sie war stärker als die gewöhnliche Wahrnehmung. Sie überraschte mich erneut sehr stark.


Ich blieb stehen, ich setzte mich, und ich war mir dieses neuen Zustands kontinuierlich bewusst. Je tiefer ich mich damit beschäftigte, desto mehr Geheimnisse wurden mir offenbart. Sie übertrafen alles, was im menschlichen Geist und in der Vorstellungskraft denkbar war. Ich kann sie in dieser Beschreibung noch nicht offenbaren. Irgendwo auf der Ebene des Überbewusstseins (Karana Sarira) entstand ein klares Verständnis: „Wir sind nicht voneinander getrennt. Wir sind eine einzige leuchtende Masse von Bewusstsein, eine einheitliche absolute Substanz.“ Diese wird im Yoga Brahman oder im Buddhismus Nirwana genannt. Dies ist die echte Essenz des wahren Selbst. Die Individualität ist nur eine Fiktion, eine falsche Position, eine falsche Sichtweise.




„Du wurdest nicht geboren?


Du bist Brahman?


Herr der Welten?


Du bist aber sehr unbescheiden.“ -


So sagte jemand zu mir.


Und ich lachte,


weil ich er bin!


Also sagte ich das,


in seinem Körper,


zu mir selbst.



Ich untersuchte die unbedeutendsten Gegenstände und fühlte das höhere Bewusstsein in ihnen. Es war angenehm. Ich lernte auch, das Bewusstsein auf ein Objekt in dieser Welt oder in der astralen zu übertragen, mit ihm zu verschmelzen und sein Wesen nachzufühlen. Dies ist eine der Arten von Sahaja Samadhi.


Es tut mir leid, aber ich bin nun kaum in der Lage, diese Erfahrungen mit Hilfe der menschlichen Sprache angemessen zu vermitteln. Dies war der ultimative Höhepunkt der mystischen Erfahrungen, den ich am Ende meiner einsamen Praxis erlebte. Diese Erfahrungen veränderten mein Bewusstsein deutlich. Es war weniger die Frage der Veränderung, sondern die Tatsache, dass ich aufhörte, als Person, als Mensch zu existieren. Ich hatte keine Gefühle im Kontext der menschlichen Persönlichkeit, keine Erlebnisse, Pläne und Ideen mehr. Es gab kein Leid und all das andere, was mit der Welt der Menschen verbunden ist. Es gab keine Vergangenheit. Ich plante nicht für die Zukunft. Es gab nur die totale, ultimative Gegenwart. Sie ist das höchste Glück, absolute, unendliche Glückseligkeit. Ich nahm diese Welt als „Nicht-Welt" und andere Menschen als nicht existent wahr. Erfahrungen werden nicht gesammelt und die Persönlichkeit ist unbeständig. Aber wenn ich mit anderen kommunizierte, versuchte ich, es zu verbergen, um sie nicht zu verwirren.



Ich gehe wie Brahman.


Ich rede wie Buddha.


Ich esse wie Atman.


Ich schlafe wie das große Licht.


Jedoch sehe ich aus wie ein Mensch.


Ja, ich bin groß!


Ja, ich bin Brahman!


König der Könige!


Herr tausender Welten,


ein gewöhnlicher Buddha.


Genau wie ihr auch!




Ich gewann ein unzerstörbares inneres Bewusstsein, das unabhängig von äußeren Bedingungen ist, das im Traumschlaf (swapna avastha) und im traumlosen Schlaf (sushupti avastha) fortbesteht. Die Wichtigkeit von Leben, Tod und Leid war verschwunden.




Nicht mehr nötig:


Mantras, Meditationen und Verbeugungen,


Pilgerfahrten, Pranayamas,


strenge Askese


und das Ansammeln guter Taten


in tausenden Kalpas.


Alles war so plötzlich ...


Genauer gesagt, ich war nicht da,


für einen Augenblick war ich nur weg,


und Atman blitzte auf,


strahlte und beleuchtete


unzählige Körper, Planeten und Lokas.


Die spirituelle Praxis hatte aufgehört, eine Praxis zu sein, obwohl ich sie fortsetzte. Dies war jetzt eine Art Spiel. Natürlich sind das nur Stufen, über die sich mehr und mehr Neues eröffnete. Der Prozess der spirituellen Entwicklung ist endlos. Bis man den Regenbogenkörper erlangt hat, wird der Weg weitergehen, alle Heiligen sagen dies so. Ich gehe diese Stufen weiter. Es gibt keinen bestimmten Endzustand für die Bewusstseinsentwicklung……..


Mehr zum Theme im Buch von Swami Vishnudevananda Giri „Leben in Gott. Autobiographie eines Jnanis“


Mehr über den Meister auf https://de.advayta.org und in den Büchern von Swami Vishnudevanda Giri „Leben in der Multirealität. Parasattarka Logik“, „Shakti Yantra. Das Leuchten der kostbaren Geheimnisse“, „Laya Yoga“, „Nada und Jyoti Yoga“, „Kodex eines Meisters“, „Spirituelle Achemie. Der Weg der inneren Askese“

Kommentare 2

  • Es ist bemerkenswert, wie schön der Erzähler in "Leben in Gott" seine Geschichte erzählt hat und wie er seine Menschlichkeit durchscheinen lässt. Ich möchte mich herzlich bei Dir bedanken, dass Du diesen Auszug mit uns geteilt hast. Danke! <3

    • Lieber Hebro,

      danke für Deinen Kommentar! Der Erzähler ist einer der bedeutendsten realisierten Advaita-Meister unserer Zeit. Swami Vishnudevananda Giri kommt am 16. September mit einem kurzen Programm nach Hamburg. Die Location wird noch bekannt gegeben. Alle Infos stehen ab Mitte/Ende Juli auf https://de.advayta.org. Seine Texte sind wirklich berührend und sehr klärend. Ich veröffentliche bald ein paar Auszüge aus seinen vor kurzem erschienenen neuen Büchern. Viele herzliche Grüße <3