Erfahrungen der kausalen Welt

Die Welt ohne Formen


Auszug aus dem Buch „Leben in Gott. Autobiographie eines Jnanis“ von Swami Vishnudevananda Giri

Kapitel "Drei-Jahres-Retreat"


„…Die Meditation schien gut zu laufen. Ich stoppte Gedanken leicht und erkannte den leeren Raum vor mir (Chit-Akasha). Das Bewusstsein ähnelte der glatten Oberfläche eines Sees. Wenn ich dieses Bewusstsein für eine lange Zeit hielt, begann es sich zu vertiefen und zu erweitern. Ich spürte einen ständigen Druck in meinem Kopf: wenn er im Ajna-Chakra (drittes Auge) war, dann sah ich ein schwaches silberweißes Licht, wenn im Sahasrara-Chakra, dann war das Licht gelb-orange. Während dieser Zeit schlug mein Herz unregelmäßig und blieb manchmal zwei bis zwanzig Sekunden lang stehen. Das Atmen hörte auch auf. Jedes Mal, wenn ich bei dem Gedanken, nicht mehr zu atmen, von Angst erfasst wurde, begann ich zu ersticken. Was war zu tun? Ich versuchte nicht an Körper, Herz und Atem zu denken. Man musste weiter meditieren, um den unendlichen Raum innen und außen bewusst zu erleben, und keine fremden Gedanken zulassen. Diese Abhängigkeit von Gedanken musste überschritten werden. „Ich bin nicht dieser Körper, ich bin nicht dieser Körper, ich bin unendliches Bewusstsein.“ Ich versuchte mein Bestes, um das in der Bewusstheit zu halten, aber es gelang mir nicht immer. Manchmal störten nebensächliche Gedanken, manchmal Ermüdung und schlechtes Bewusstsein.


Ich meditierte fünf bis sechs Stunden am Tag in sitzender Position, den Rest der Zeit machte ich eine Gehmeditation. Das neue Problem war die widerliche Angst vor dem Tod. Wenn mein Herz und meine Atmung stehen blieben, fühlte ich, dass ich in die Dunkelheit versank und mich darin auflöste. Die gewöhnliche Welt verschwand, Gefühle verschwanden, der Körper verschwand, der Geist verschwand. Was blieb von mir übrig? Ich konnte diese Angst nicht überwinden. Ich hatte meinen physischen Körper schon oft verlassen und war in die Astralwelt übergegangenen. Ich tat dies mit Hilfe der Kundalini-Energie oder der Willenskraft im Unterbewusstsein. Das war eine Übertragung des Bewusstseins in einen anderen, subtileren Körper, in eine andere reale Welt – Bardo. Hier war es anders: Es blieb nur das subtile Gefühl von "Ich", ein subtiles Bewusstsein, das keine Form hatte. Dies nennt man die Welt ohne Formen, die kausale Welt. Beim Eintreten in die mittlere und die untere kausale Welt deutet Dunkelheit auf einen Mangel an spirituellen Leistung hin. Wenn ich die obere Welt ohne Formen erlebte, die Leere mit Licht, die obere kausale Welt, in der unser wahres Selbst wirkt, das mit dem Ajna-Chakra verbunden ist, stoppte ich es aus Angst vor dem Tod. So dumm! In der Lage zu sein, in Samadhi einzutreten und dies aus Angst vor dem Tod zu verhindern. Gegen diese Angst konnte ich nichts tun. Vorher hatte ich keine Ahnung, wie sehr ich mich an meine fünf Umhüllungen klammerte - den physischen Körper, die Gefühle, die Empfindungen, die Formen und andere geformte Erfahrungen. Der Lehrer hatte gewarnt, dass dies eine große Schwierigkeit sein würde, aber ich hatte mir nicht vorstellen gekonnt, dass es so schwer sein würde!



…Immer wieder machte ich Kompromisse und hörte auf zu meditieren. Ich verhinderte Samadhi. So zeigt sich der Mangel an spirituellen Verdiensten und Kenntnissen der Texte. Ich fühlte mich wie ein wertloser Praktizierender und gab Depressionen nach. So kann Befreiung niemals erreicht werden. Es bedeutet, im Moment des Todes Angst zu haben, die Angst vor Kontrollverlust. Auf der Ebene des oberflächlichen Bewusstseins sagen wir oft: "Ich bin nicht dieser Körper." - "Ich bin an nichts gebunden." - "Ein Mensch wird definitiv sterben." Sagen und Erleben sind jedoch völlig verschiedene Angelegenheiten. Ich erinnerte mich mit etwas böser Ironie an diese Worte. Wie leicht jonglieren wir mit Begriffen und Wörtern, deren Ausdruck wir selbst noch nie erlebt haben, obwohl dies unter dem Gesichtspunkt der Opferung der relativen Wahrheit absolut notwendig wäre.



Ich machte analytische Meditationen: „Dieser Körper ist eine Quelle des Leidens, Empfindungen sind eine Quelle des Leidens, meine Gedanken sind unbeständig, geformte Erfahrung, feste Ideen und Wünsche - das bin nicht ich. Ich werde sie loslassen! Ich werde sie aufgeben!"



Wenn die Trauer klopft, vertreibe sie nicht.


Wenn die Sehnsucht kommt, meide sie nicht.


Bereue nicht, weine nicht, vergiss dich selbst.


Der Strahl der Hoffnung soll von selbst verblassen ...



Ich erinnerte mich an eine sufistische Parabel über einen Bach, der die Wüste überqueren wollte, aber vom Sand gestoppt wurde. Der Sand sagte zu ihm: „Ich lebe seit langer Zeit hier, Tausende von Jahren. Noch hat niemand die Wüste auf die übliche Weise überquert. Um die Wüste zu überqueren, musst du anders werden, du musst verschwinden, du musst verdunsten. Dann wird der Wind dich aufheben und du wirst die Wüste als eine Wolke überqueren, dann wirst du wieder zur Erde zurückkehren. Jeder vor dir hat das getan." Mit dieser Allegorie beschrieben die Sufis den Prozess des Erreichens von Samadhi. Der Bach zweifelte und fürchtete, aber es gab keinen anderen Weg. Er traf die Entscheidung, sich zu ändern und überquerte die Wüste.



Ich musste mich ändern. Ich musste in diesen anderen Zustand gehen, wie eine Wolke reinen Bewusstseins. Dann würde ich die Wüste von Samsara überwinden. Immer wieder erlebte ich einen Atemstillstand, ein Gefühl des Körperverlustes und einen Übergang in einen unerklärbaren Zustand außerhalb von Zeit und Raum. Es dauerte immer länger. Ich hatte so etwas noch nie erlebt, es war schwer in Worte zu fassen. Ich versuchte mein Bestes, um in diesem Zustand meiner selbst bewusst zu bleiben und die Angst zu überwinden. Ich verstand, dass dies dem Tod gleichkommt. Aber manchmal begann das silberweiße Licht den inneren Raum zu beleuchten, in dem ich mich befand. Die Angst verschwand, an ihrer Stelle traten Glückseligkeit (Ananda) und Loslösung. Ich hatte es geschafft, diese Barriere zu überwinden!



Eine neue Erfahrung – die Leere. Ein Erlebnis der Welt ohne Formen, schwer zu vermitteln.


"Ekstase", "Überbewusstsein", "Freiheit" sind ausdruckslose Begriffe! Diese Erfahrung veränderte mein Bewusstsein sehr. Ich war erstaunt über die großartige Welt, die sich in mir öffnete. Wie hatte ich sie vorher verpassen können?



Zur Unendlichkeit bin ich gestern weggeflogen


Den Körper wie Asche in der Stille gelassen.


Dort flüsterte mir die nackte Ewigkeit


ein überirdisches Märchen über sich zu.



Wenn Befreiung, Nirvana, die Vertiefung dieses Zustandes ist, dann käme vielleicht ein Moment, ab dem ich aus ihm nicht mehr zurückgehen wollen würde. Ich spürte inneren Widerwillen gegenüber der manifestierten Welt der groben Objekte, weil dieser großartige Zustand verloren ging, wenn ich sie wieder wahrnahm. Ich empfand es als Zeitverlust, im oberflächlichen Bewusstseinszustand zu sein. Tatsächlich wurde alles außerhalb der Meditation als Zeitverschwendung empfunden. Man hatte zu lernen, viele Stunden lang zu meditieren. Ich wusste, dass es Heilige gab, die sich in einem meditativen Zustand befanden, während sie in der Welt lebten. Ich aber verlor schnell dieses reine, funkelnde, klare Bewusstsein, sobald ich in die raue Welt zurückkehrte.



…Nach zwei Stunden Gehübungen begann ich mit der Meditation der Leere. Ich stoppte meine Gedanken und richtete meine ganze Kraft darauf, in den leeren dunklen Raum vor mir zu schauen. Ein neuer Bewusstseinszustand, der sich vom oberflächlichen Verstand und vom Unterbewusstsein (mit Formvorstellungen) unterschied, begann sich über den Kopf hinaus bis ins Unendliche auszubreiten. Dieser Zustand hatte eine enorme Intensität, Geschwindigkeit und war nicht durch Formen begrenzt.



Als ich tiefer hineinging, sah ich zuerst schwaches, dann hellweißes Licht. Manchmal verwandelte es sich in goldfarbiges. Zu diesem Zeitpunkt hörte meine Atmung auf und ich verlor mein Körpergefühl. Diese Bewusstheit hatte eine große Tiefe, schwer in Worten auszudrücken, sie war endlos und brachte großes Glücksgefühl. Während dieser Meditation gab es starke Begeisterung und Freude am Kontakt mit dieser Unendlichkeit. Ich meditierte und erkannte, wie ich mit diesem Bewusstsein immer mehr Raum „einfangen“ konnte. Die Empfindungen des Körpers und dieser Welt verschwanden vollständig, es gab weder Gedanken, noch Zeit, Raum und das Gefühl von "Ich". Es gab nur die Empfindung des unendlichen Raumes, manchmal war er dunkel, manchmal war er leuchtend. Ich wollte nicht raus. Ich wusste intuitiv, dass ich, würde ich sterben, wie dieses unendliche Bewusstsein außerhalb von Zeit und Raum existieren würde. Die Freude und Überraschung darüber, dass ich einen solchen Zustand erkennen konnte, war so groß, dass ich über mich selbst wunderte.




Oh Gott,


ich bin bereit, verrückt deine süße Erde zu küssen.


Ich bin bereit, diese Blume zu umarmen.


Jeder Grashalm hier hört mit Freude mir zu,


Jedes Blatt singt in Ekstase mit: Hari Bo-o-o-l !!!"



Drei Stunden vergingen, obwohl sie sich wie ein paar Minuten anfühlten. Die ganze Zeit atmete ich nicht. Als meine Konzentration nachließ, verließ ich allmählich diesen Zustand und kehrte zum Körper zurück. Während dieser Zeit war die Wahrnehmung der umgebenden Welt mit ihren Objekten unwirklich, andere Menschen wirkten, als ob sie schliefen. Ich hatte keine Lust zu reden, zu denken, etwas zu tun oder mich auszudrücken. Selbst ein Versuch, den eigenen Willen auszuüben, trübte dieses klare, spiegelglänzende Bewusstsein. Ich wollte nicht in dieser Welt wie gewöhnliche weltliche Menschen leben. Mein einziger Wunsch war es, diesen klaren, distanzierten, freien Zustand des reinen "Ichs" aufrechtzuerhalten, das Überbewusste, die kausale Welt…“


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Weitere Bücher des Autors: „Leben in der Multirealität. Parasattarka Logik“, „Laya Yoga. Das Leuchten der kostbaren Geheimnisse“, „Shakti Yantra“, „Nada und Jyoti Yoga“, „Ich bin. Spirituelle Alchemie des inneren Universums“, „Kodex eines Meisters“, „Spirituelle Alchemie. Der Weg der inneren Askese“