Mutters Agenda 1951 - 1973 (Mirra Alfassa)
Die Aufzeichnung über zweiundzwanzig Jahre, in 13 Bänden mit insgesamt 6000 Seiten, einer einzigartigen Erforschung des Körperbewußtseins. Auf Sri Aurobindos Spuren entdeckte die in Indien "Mutter" genannte Fortsetzerin seines Werks ein "Mental der Zellen", das ermöglicht, die Bedingungen des Körpers ebenso radikal zu verändern, wie einst das erste Stammeln eines "denkenden Mentals" die Bedingungen des Anthropoiden verwandelte.
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Die folgende Sammlung von Zitaten aus den Büchern ist mein Versuch, einen Geschmack von dem zu vermitteln, was das gemeinsame innere Werk von Sri Aurobindo und Mutter – wie es speziell in diesen Büchern von Satprem beschrieben wird – ganz praktisch für uns als Spezies bedeutet.
Über Jahre hinweg – achtzig Jahre vielleicht – verbrachte Mutter ihre Zeit damit, ihren Körper zu verlassen, um sich auszuruhen: In Sekundenbruchteilen erklomm sie die höchsten Regionen des Bewusstseins und trat in das große, weiße, reglose Licht (...) So konnte Mutter mehr als ein halbes Jahrhundert ihr aufreibendes Leben aushalten, ohne dabei mehr als zwei Stunden Ruhe pro Nacht zu finden. (...) Je weiter sie in ihrem Yoga der Materie fortschritt, um so deutilcher wurde ihr aber bewusst, dass diese Methode – die Materie zu verneinen oder sie schlicht zu vergessen – ihre Zellarbeit seltsam verkomplizierte. Dem Zugriff des physischen Mentals [Mind] zu entkommen, bedeutet zweifelsohne eine große Entspannung und Erholung, aber es ist der Ausweg aus dem Käfig nach oben, nicht nach unten, und während dieser Zeit fallen die Zellen, die Materie wieder in ihre ursprüngliche Trägheit zurück.
Das Unbewusste ist das, was wir als den Weltanfang, die Grundlage der Materie bezeichnen können, dieses undefinierbare „Etwas“, auf dem sich alle Evolutionsschichten ablagern und aus dem alle Formen entkrochen... (...) Erst als ich [Mutter] ins Unbewusste hinabstieg fand ich dort inmitten der Finsternis die göttliche Gegenwart ... (...) [ich] stand plötzlich vor einer Öffnung, wie ein Gewölbe oder eine offene Grotte (...) und dort erblickte ich ein Wesen aus regenbogenfarbenem Licht, das mit dem Kopf auf seinen Händen ruhend schlief: das Licht, von dem es umflutet war, leuchtete regenbogenfarbig ... Regenbogenfarbig bedeutet in allen Farben, und das ist sehr wichtig, denn es handelt sich hier um ein Licht, dem wir noch öfters begegnen werden, und das ganz besondere Eigenschaften oder eine ganz besondere Macht über die Kräfte der Auflösung hat (Krankheit, Tod, das finstere Nein in der Tiefe der Materie), das mit diesem Licht einherzugehen oder dessen Begleiterscheinung zu sein scheint.“ (Band 1, S. 285)
Die Erfahrung wiederholt sich bei einer anderen Gelegenheit und aus anderem Anlass, aber dann besteht immerhin bereits ein Anfang der Zusammenarbeit. Die Zellen haben erkannt, dass DAS die Lage ändert (sie erinnern sich, das ist sehr interessant), und so beginnen sie mitzuarbeiten, was die Aktion beschleunigt. Dann (...) wiederholt es sich ein drittes Mal, und die Zellen selbst rufen die göttliche Aktion herbei, weil sie sich erinnern. (...) Da kommt ES auf eine so herrliche Weise, wie etwas Beständiges... (Band 2, S. 336) "Die Belehrung des Bewusstseins der Zellen besteht darin, ihnen beizubringen, das göttliche Bewusstsein, die göttliche Gegenwart, die göttliche Macht zu wählen, (...) eine Wahl in jeder Sekunde zwischen der Herrschaft der alten Naturgesetze und der Herrschaft des höchsten Bewusstseins.
Und alle Körper, die diesen Weg zurücklegen wollen, brauchen allein diese Aspiration [das "Flüstern in den Zellen" aus dem vorigen Zitat] - im Grunde genommen ist sie wahrhaftig der einzige Weg, den es seit dem Protoplasma gibt: ein Streben, eine Aspiration. (Band 3, S. 97)
Das im wahrsten Sinne des Wortes Bahnbrechende war, dass dieses winzige Flüstern der Materie nur befreit und dadurch als Schlüssel wirksam werden konnte, weil Mutter es nach Jahrzehnten unbeirrbaren mikroskopischen Erforschens der Struktur der Materie gelang, dieses Flüstern in ihren Zellen wahrzunehmen oder zu erwecken. Das Mantra, das sie in ihren Zellen vernahm war: „Allein der Allerhöchste kann mir genügen.“ An anderer Stelle heißt es: Und plötzlich erinnert sich Mutter: Ja, ich bemerkte, dass die Zellen überall, die ganze Zeit das Mantra wiederholten: OM Namo Bhagavate, OM Namo Bhagavate ... die ganze Zeit, die ganze Zeit. OM Namo Bhagavate wiederholt sich spontan und automatisch in einem sanften Frieden. (Band 3, S. 23)
Der Körper enthält den Schlüssel der langen Reise. So verlangt es ihn nicht nach einer Karte: es verlangt ihn zu sein. (Band 3, S. 97)
es braucht nur ein Mantra, ein Losungswort - welches auch immer -, doch es muss ein innerster Schrei unseres Wesens sein. (...) Man wiederholt das Mantra, bis es die ganze Kruste durchdrungen hat, die ganze Banalität und Idiotie des Alltags, all die Millionen und Abermillionen von Vergeblichkeiten, die man für etwas anderes durchlebt, das niemals kommt. Man wiederholt es so hartnäckig wie ein Maultier, bis die Zellen diese Schwingung des Appells ergreifen - dann wiederholen sie es Tag und Nacht, ohne Unterlass, automatisch, närrisch ... und wunderbar. Dort beginnt das Wunder, (...) das zellulare, physiologische Wunder. Denn Sri Aurobindo und Mutter haben den Weg eröffnet. Deshalb ist es nicht, als müssten wir undurchdringliche Schichten durchqueren: der Weg ist offen. (...) Und man braucht nicht blind zu glauben: man braucht nur dorthin zu gehen, auf diese Ebene. Das gilt es zu berühren. Das Wunder ist: Wenn man das berührt, erbaut sich die neue Welt von selbst, ohne dass man es wollen, verstehen oder suchen müsste. (Band 3, Seite 264)
Tatsächlich lässt es sich kosten: Ich [Mutter] war wie eingetaucht in das Bad der Liebe des Höchsten. [Für den Körper ist es ein Bad, nicht etwas Emotionelles]. Es ist eine Art homogene, unbewegte Schwingungsmasse und dennoch von einer Schwingungsintensität ohnegleichen, die in einem warmen goldenen Licht zum Ausdruck kommen kann. Das ist überall gleichzeitig, es ist sich überall gleich, ohne Wechsel von hoch und tief, unveränderlich, in einer gleichbleibenden Intensität der Empfindung. Dieses "Etwas" ist zugleich absolute Unbewegtheit und absolute Schwingungsintensität. Und DAS ... liebt. Da ist kein "Herr", kein "Etwas", kein "Subjekt", kein "Objekt". Das liebt. Wie aber könnte man beschreiben, was DAS ist? ... Es ist unmöglich. DAS liebt überall und alles, immer und gleichzeitig. Hat man DAS einmal erlebt, dann wird man sich auf so unwiderrufliche Weise bewusst, dass alles vollkommen von der individuellen Wahrnehmung abhängt, und diese individuelle Wahrnehmung hängt natürlich immer wieder von der Unzulänglichkeit, der Trägheit, dem Unverständnis, der Unfähigkeit der Zellen ab, diese Schwingung in sich halten und beibehalten zu können (...). Aber Er ist hier, Er ist hier, hier! Er ist beständig - ist DIE Beständigkeit. Diese Beständigkeit, die Buddha suchte, sie ist hier. Buddha behauptete, sie im Nirvana gefunden zu haben - sie ist hier in dieser Liebe. (...)
Das spielt sich nicht "da oben" ab, in den unendlichen Räumen des Bewusstseins, das spielt sich hier ab, innerhalb dieser Haut, in die wir gegen ihren Willen diese Unermeßlichkeit eintreten lassen müssen.
Das wird die nächste Seinsart:
eine musikalische Art,
eine Musik die alle Schmerzen der Erde
heilen wird."
Aus dem Französischen: Petra Mecklenburg
Om = der Urklang
Namo = Verehrung
Bhagavate = Glanz, Erhabenheit
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