Hier und jetzt möchte ich mich dem Thema Kommunikation widmen.
Zunächst zu der Frage, wann wir kommunizieren. Wie eine Freundin es so schön formulierte: "Solange ich mich nicht irgendwo in einen schall-, luft- und blickdichten Schrank einsperre, kommuniziere ich immer!" Und sie hat Recht. Wir kommunizieren auf viele verschiedene Arten, durch Wort und Schrift vor allem, aber auch sehr viel durch Körpersprache, Mimik, Gestik und sogar durch Biochemie (z. B. Phäromone). Das bedeutet aber auch, dass wir, wenn wir reden, immer auch auf anderen Kanälen mit kommunizieren. Das hat eine denkbar simple, aber schwerwiegende Konsequenz: Wenn wir zum Beispiel im Internet nur einen geschriebenen Text haben, haben wir nur einen einzigen dieser Kanäle, statt wie üblich zwei, drei oder sogar mehr. Wir haben nur digital festgehaltene Worte - kein Tonfall, keine Mimik, keine Körpersprache. Man könnte jetzt denken, je weniger Signale man bekommt, umso simpler ist es, sie zu deuten. Doch das ist ein gewaltiger Irrtum, denn der Mensch braucht die mehreren Kanäle der Kommunikation, um die Botschaft optimal interpretieren zu können. Es ist ein bisschen so, wie wir ja die Welt um uns herum immer mit allen unseren Sinnen wahr nehmen. Wenn man uns aber die Sicht, den Geruch, den Geschmack und die Geräusche weg nimmt und wir unsere Welt nur noch durch den Tastsinn wahrnehmen, sind wir zum einen verdammt hilflos, zum anderen werden wir aber auch extrem anfällig für Fehlinterpretationen.
Jetzt sagen viele gerne, Interpretation sei ohnehin Gift und wir müssten lernen, damit aufzuhören. Aber das ist nicht möglich. Wir sind Menschen und keine Maschinen, das heißt wir werden nie vollkommen neutral sein. Das können wir gar nicht. Wir müssen statt dessen lernen, auf welche Art wir interpretieren und was wir daran optimieren können.
Warum aber sollten wir unsere Interpretation der Kommunikation anderer optimieren? Was bringt uns das? Zum einen bringt es uns näher an die Wahrheit dessen, was man uns wirklich mitteilen will. Zum anderen erspart es uns eine Menge Stress, da wir lernen, Missverständnisse früh zu erkennen oder sogar fast immer zu meiden, und wir können Konflikte minimieren und mit weniger Stress bewältigen. Weniger Konflikte und weniger Stress bedeuten im Umkehrschluss weniger Zeit- und Energieverschwendung und im finalen Resultat mehr Ruhe und Zufriedenheit.
Wenn wir also immer interpretieren, was machen wir genau und was können wir bessern? Ich möchte mich hier auf ein Prinzip berufen, dass als das "Vier-Ohren-Prinzip" oder auch "Vier-Seiten-Prinzip" bekannt ist. Denn jeder von uns weiß, was er mit seiner Aussage ausdrücken möchte (lassen wir jetzt das Unterbewusste einmal außen vor). Und im Normalfall wird unsere Botschaft ja auch unterwegs nicht verfälscht oder manipuliert (abgesehen von akustischen Problemen wie Lärm etc.). Der entscheidende Punkte ist also der Empfänger. Daher die Sache mit den Ohren. Was also sagt dieses "Vier-Ohren-Prinzip" jetzt aus über die Kommunikation?
In dieser Theorie heißt es, dass wir gewissermaßen mit vier Ohren hören. Und jedes dieser vier Ohren hört einen unterschiedlichen Teil der Botschaft. Und unser Charakter, unsere Stimmung und die Beziehung zum Sprecher beeinflussen, auf welchem der Ohren wir besonders sensibel sind und auf welchem nahezu taub. Die vier Ohren hören die Botschaft wie folgt:
- Sachebene
- Ebene der Selbstaussage des Sprechers
- Appell an den Empfänger
- Beziehungsebene
Das klingt jetzt im ersten Moment vielleicht komisch, aber es lässt sich an Hand eines Beispiels sehr gut vereinfachen. Stellen wir uns vor, eine Büromitarbeiterin macht früher Feierabend und begegnet im Flur ihrem Chef, der zu ihr sagt "Sie gehen heute aber früh nach Hause."
Das Sach-Ohr nimmt die reinen Fakten aus der Aussage, also die Feststellung, dass die Frau früher nach Hause geht und stellt fest: "Ja, er hat Recht, ich gehe heute früher als sonst."
Das Ohr für die Selbstaussage des Sprechers hört das, was der Redende an Informationen über sich selbst vermittelt. Deshalb denkt dieses Ohr sich "Der Arme würde bestimmt auch früher nach Hause gehen, bestimmt ist er neidisch."
Das Appell-Ohr hört aus der Aussage das heraus, was der Sprechende sich vom Zuhörer wünscht und kommt selbstverständlich zu dem Schluss "Na super, mein CHef will, dass ich länger bleibe."
Und das Beziehungsohr guckt erst mal, mit wem es da zu tun hat und wie das Verhältnis zwischen Sender und Empfänger ist. Glaubt das Beziehungsohr, dass der Chef seine Mitarbeiterin für faul hält oder ihre Arbeit nicht schätzt, wird es die Aussage deuten in Richtung "Super, jetzt kritisiert der Chef schon daran herum, wann ich gehe. Ich habe heute wirklich genug geleistet." Wenn das Beziehungsohr aber der Meinung ist, dass der Chef den Fleiß seiner Mitarbeiterin zu schätzen weiß wird es statt dessen denken "Man merkt, dass er mir den frühen Feierabend gönnt. Es ist schön, dass er sich für mich freuen kann."
Basierend darauf, welches Ohr gerade am aktivsten ist, fällt unsere Reaktion entsprechend aus. Und die trifft beim Gegenüber natürlich ebenfalls wieder auf vier Ohren. Und je nach dem welches Ohr bei ihm gerade am aktivsten ist und wie gut oder schlecht wir gerade übereinstimmen, läuft die Kommunikation glatt oder es kommt zu einem Missverständnis, vielleicht sogar einem Streit. Nehmen wir mal an, der Chef hat einen guten Tag und gönnt der Mitarbeiterin den frühen Feierabend. Sie aber hat schlechte Laune und ihr Appell-Ohr ist gerade am hellhörigsten. Was er als freundliche Geste meinte, landet bei ihr im falschen Ohr und wenn sie darauf hin seufzt, und genervt antwortet. "Ja gut, dann mach ich die restlichen Sachen eben doch noch heute fertig." Dann ist der Chef natürlich erst mal verwirrt und dann vielleicht sogar etwas gekränkt. Und so fängt dann gerne mal ein Desaster an.
Aber was können wir tun, damit es hier weniger Probleme gibt? Wir müssen lernen, mit allen Ohren hin zu hören und sie in Balance zu halten. Dann wird die Büromitarbeiterin sich denken "Ah, er stellt fest, dass ich früher gehe. Sagt er das nur so oder ist er vielleicht neidisch? Vielleicht gönnt er es mir nicht. Oder er möchte einfach nur, dass ich noch bleibe." Und als Folge könnte sie ihren Chef ganz neutral fragen "Ist das in Ordnung oder möchten Sie, dass ich noch bleibe?" Daraufhin wird er dann eröffnen, ob er es möchte oder nicht und wird uns möglicherweise weitere Informationen liefern, so dass wir die anderen Fragen für uns beantworten können.
Nach all diesem Beispiel bleibt die Frage, was können wir im Alltag tun, um Konflikte zu vermeiden?
- Lerne zu erkennen, welches deiner Ohren gerade am aktivsten ist. So erkennst du Muster und vielleicht Schwächen.
- Lerne mit allen Ohren zu hören und sie gegeneinander zu prüfen.
- Überlege, ob dein Beziehungsohr die Beziehung wirklich sicher einschätzen kann oder ob es sich irren könnte. (Wie eindeutig ist das Verhältnis?)
- Überlege ob die Selbstaussage des Sprechers für dich überhaupt relevant ist.
- Lerne, dass es legitim ist, sich auf dem Appell-Ohr auch einmal taub zu stellen. Man muss nicht jede Aufforderung erahnen können, oft sollten sie offen angesprochen werden.
- Lerne zu verstehen, dass auch dein Gegenüber vier Ohren hat!! Und manchmal ist man auf einem Ohr gerade einfach taub. Dann sollte man einen besseren Zeitpunkt abwarten.
- Versuche Missverstänndissen nicht mit Unverständnis oder Zorn zu begegnen, sondern versuche sie mit möglichst eindeutigen Aussagen aufzulösen.
- Hole dir weitere Informationen durch Rückfragen. Wenn man sich nicht sicher ist, ist eine Nachfrage oft besser als eine Fehlinterpretation.
- Beziehe Körpersprache, Mimik und Gestik mit in deine Interpretation der Aussage ein - höre nicht nur hin, sieh auch hin.
- Stelle nicht als Tatsache hin, was keine Tatsache ist. Differenziere Tatsache und Meinung und Wahrnehmung.
- Sprich (speziiell in Konfliktsituationen) in der Ich-Form. Vermeide "Du hast doch gesagt, dass..." sondern sage statt dessen "Ich habe deine Aussage so verstanden, dass..."
Und bevor mir hier jetzt irgend jemand meine eigenen Fehler aufzeigt Ich kenne zwar das Prinzip, aber es ist verdammt schwer und ich lerne immer noch Also Mea Culpa, falls ich mich hin und wieder selbst nicht an das halte, was ich oben geschrieben habe, abe wie schon gesagt: Wir sind eben Menschen mit vier Ohren und keine Maschinen, die nur 0 und 1 kennen