Fast alle hatten ihn für verrückt erklärt. Er musste verrückt sein: als Schwarzer ins Allerheiligste eindringen zu wollen. Der letzte Schwarze, der versucht hatte, sich an Ole Miss, wie die Uni liebevoll genannt wird, zu immatrikulieren, war tatsächlich in die Irrenanstalt eingewiesen worden.
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Unter der euphemistischen Devise „separate but equal“ herrschte in den Südstaaten ein Apartheidssystem, das Schwarze wie Menschen dritter Klasse behandelte, ihnen so grundlegende Rechte wie das auf Bildung verweigerte. Selbst als der Oberste Gerichtshof 1954 die Rassentrennung in Schulen für verfassungswidrig erklärte.
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Medgar Elvers, der sich selber in den 50er Jahren vergeblich an der Uni als Jurastudent beworben hatte, vermittelte. NAACP-Anwälte standen Meredith bei dem Rechtsstreit zur Seite, der sich über ein Jahr durch verschiedene Instanzen zog. Bis sie schließlich beim Supreme Court angekommen waren, der die Universität am 10. September ’62 anwies, den Bewerber zu immatrikulieren. Und zwar sofort. Gouverneur Ross Barnett [Demokratische Partei] dachte gar nicht daran. Mississippi beharrte auf seiner Souveränität. Sie ließen sich doch nicht von Washington vorschreiben, was sie zu tun hätten!
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Kennedy machte das, was er um gar keinen Preis wollte: Er schickte Truppen gegen die eigenen Landsleute los. Mit Tränengas, so lautete das Kommando. JFK steckte in der dramatischsten innenpolitischen Krise seiner gesamten Amtszeit.
Mittlerweile hatten sich bewaffnete Rebellen aus dem ganzen Land, aufgepeitscht von Politikern und Ku Klux Klan, zusammengerottet. Oxford wurde zum Schlachtfeld. An einem Sonntag, der den Einwohnern noch heute so heilig ist, dass in Restaurants kein Alkohol ausgeschenkt wird, wurden Autos angezündet, Steine geworfen, mit Bleirohren geknüppelt und geschossen. Ein französischer Reporter und ein junger Passant aus Oxford kamen ums Leben, Hunderte wurden verletzt. Die USA standen unter Schock.
Meredith gehörte zu den wenigen auf dem Campus, die in dieser Nacht Schlaf bekamen. Heimlich war er in ein abgelegenes Wohnheim gebracht worden, am Morgen des 1. Oktober ging der schmächtige Mann in Schlips und Kragen mit Aktentasche und seinen treuen Beschützern durch den Tränengasnebel und das Nigger! Nigger!-Gebrüll und schrieb sich ein. Er blieb cool. Sein Plan war aufgegangen.
Lustig war es nicht, sein Studentenleben. Er wurde gemobbt, geschnitten und tyrannisiert, nächtelang wurde über seinem Kopf Basketball gespielt, Morddrohungen kamen per Post. Aber es gab auch andere. Stand ein weißer Student demonstrativ auf, wenn Meredith sich in der Mensa mit seinem Tablett dem Tisch näherte, setzte sich ein anderer ebenso demonstrativ zu ihm. Ein Professor lud ihn zum Golfspielen ein, bei dem Spektakel kreisten zur Sicherheit Hubschrauber über dem Platz. Auf dem Höhepunkt des Dramas waren 15000 Soldaten in und um Oxford stationiert, viermal so viel, so Doyle, wie in West-Berlin. Hunderte von staatlichen Leibwächtern beschützten den Studenten rund um die Uhr.