Der Ego-Schmerzkörper

Der Ego-Schmerzkörper

Der Begriff des „Ego-Schmerzkörper“ wurde von Eckhart Tolle geprägt. Unser Ego wohnt in seinem Schmerzkörper. Dort lebt es und es ernährt sich von Kummer, Leid und Schmerz. Das Dasein unseres Ego gründet sich auf Mangel, folglich empfindet unser Ego subjektiv immer, dass ihm etwas fehlt. Und dieses Fehlen schmerzt natürlich.


In der Geschichte der Schöpfung ist die Existenz des Ego-Schmerzkörper wichtig und sinnvoll. Ja, Schmerz als solcher ist wichtig und sinnvoll. Obgleich Schmerz natürlich schmerzhaft und unschön, quälend und schrecklich ist, brauchen wir den Schmerz für unser Erwachen. Denn ohne Schmerz ist kein Erwachen möglich. Unser Schmerz rüttelt uns sozusagen wach.


Das Ego hat ja vergessen, dass es Liebe ist. Unser Ego ist vollkommen unbewusst. Es identifiziert sich mit unserem Körper sowie mit unserer Geschichte, mit uns als Person, mit allem was wir kön-nen und mit allem, was wir haben. Das zentrale Merkmal unseres Ego ist seine völlige Unbewusstheit. Wir schlafen sozusagen. Und wie will man jemandem, der vollkommen unbewusst ist, bewusst machen, dass er unbewusst ist. Beziehungsweise wie will man jemandem, der schläft, bewusst machen, dass er schläft. Da er ja schläft/unbewusst ist, kann er sein schlafen/unbewusst sein nicht bewusst wahrnehmen. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz.


Diesen Teufelskreis können wir nicht mit schlauen Worten oder Wissen durchbrechen. Unser Verstand taugt dafür nichts. Jeder Mensch, der an einer Abhängigkeitserkrankung leidet, weiß, wie sehr man in diesem Taufelskreis feststeckt. Zwar ist unsere Erkenntnis der erste Schritt zur Besserung, aber es müssen weitere Schritte folgen. Allein die kognitive Erkenntnis reicht eben nicht aus. Was wir brauchen ist eine emotionale Erkenntnis. Wir brauchen ein Fühlen, das uns erkennen lässt.


Und hier hebeln sich diejenigen Menschen aus, die das Fühlen ausgestellt, abgestellt und unter den Teppich gekehrt haben. Sie fühlen eben nicht mehr ihre Gefühle. Selbst wenn sie Schmerzen haben, ignorieren sie ihre Schmerzen. Die gesamte Menschheit geht auf genau diese Weise mit der Welt um. Wir ignorieren den Schmerz (unserer Umweltzerstörung) und machen einfach weiter wie bisher. Die Gewohnheit sitzt am längeren Hebel.


Und um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, gibt es den Schmerz. Denn schreckliche Schmerzen müssen wir fühlen, ob wir dies nun wollen oder nicht. Das Schmerzen weg machen durch Me-dikamente ist also äußerst ungesund, weil wir damit unsere Leidenszeit nur verlängern. Wir müssen in unserem Leben etwas verändern (nämlich unsere Vorstellungen loslassen und geistig erwachen) anstatt den Schmerz zu betäuben.


Das Leben ist nun noch verworrener und noch verwobener. Denn es geht nicht nur um unseren eigenen Schmerz, sondern der Schmerz, den wir selbst haben, ist gar nicht nur unser eigener Schmerz. Vielmehr spiegeln wir unserem Gegenüber (als Kind gegenüber unseren Eltern, als Erwachsener gegenüber unseren Partnern), was das Problem unseres Gegenübers auf seiner seelische Ebene ist. Und zugleich ist genau dies auch unser eigenes Problem, unsere eigene innere Blockade, die wir jedoch bei uns selbst nicht sehen und nicht bearbeiten können. Für die Bearbeitung und Auflösung unser eigenen, inneren Blockade brauchen wir zwingend den anderen, unser Gegenüber.


Und dann geschieht folgendes: Wir versuchen unseren Partner zu verändern, zu manipulieren und so weiter. Er/sie soll sich anders verhalten. All dies ist richtig, denn es hilft dem anderen tatsächlich in seiner Entwicklung (wenn er dies denn erkennen würde) - doch für uns geht es nicht darum, dass der andere sich verändert (wir brauchen ihm lediglich unsere gut gemeinten Ratschläge (die sich auch wie Schläge anfühlen) zu sagen und müssen ihn im nächsten Augenblick auch schon wieder frei lassen). Für uns selbst geht es darum, dass wir selbst uns verändern. Unser Gegenüber dient uns lediglich als Projektionsfläche für unsere eigene Entwicklung. Wir tun also gut daran, uns selbst in dem zu erkennen, was wir von dem anderen verlangen und fordern. Und es ist mehr als sinnvoll, wenn wir all die Ratschläge, Hinweise und Aufforderungen, die wir dem anderen gegeben haben, dann selbst in unserem eigenen Leben umsetzen, berücksichtigen und entsprechend leben und uns genauso verhalten.


Um zu wissen, was wir selbst verändern sollten und müssten, dient uns der andere also als Spiegel und Projektionsfläche. Was wir ihm/ihr sagen, sagen wir uns selbst. Was er/sie verändern sollte, sollten wir selbst verändern. Was bei ihm falsch/verkehrt läuft, läuft bei uns selbst falsch/verkehrt. Was wir bei dem anderen auf körperlicher, weltlicher, realer Ebene bemängeln, liegt bei uns selbst auf seelischer Ebene im Argen. Und weil es bei uns auf seelischer Ebene im Argen liegt, können wir es bei uns selbst auch nicht sehen. Doch weil es bei unserem Gegenüber auf körperlicher Ebene im Argen liegt, können wir es dort sehr gut sehen. Und weil wir unsere eigene seelische Ebene übersehen, glauben wir, dass nur unser Partner sich zu verändern braucht. Nein! Er kann sich gar nicht verändern, weil er dazu verdonnert ist, uns zu spiegeln, wie es uns selbst seelisch geht! Und solange sich bei uns seelisch nichts verändert, wird sich bei unserem Partner körperlich auch nichts verändern. Wir sind alle miteinander verstrickt und dürfen von- und miteinander lernen.